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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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nichts oder kaum etwas wert sind und sie nicht ernst genommen würden, wenn sie das auf dem Kirchhof Gehörte Oberamtmann Speen oder Landrichter Zwick erzählten. Dazu kommt noch, dass ich es meinen Söhnen nicht zumuten wollte, vor einem 20-köpfigen Untersuchungsausschuss und später womöglich auch noch vor Gericht aussagen zu müssen. Der Richter hätte sie vermutlich derart auseinandergenommen, dass zumindest bei Diederich bleibende seelische Schäden zu befürchten gewesen wären. Außerdem hat mich Konstanze seinerzeit innig gebeten, unsere Buben aus allem herauszuhalten, damit sie die Geschichte, die sich auf dem Kirchhof zugetragen hat, schnellstens vergessen können und möglicher Bedrohung durch den damals unbekannten zweiten Mann vom Kirchhof entgehen. Was hätte es deiner Meinung nach also genützt, wenn schon der Untersuchungsausschuss und später auch das Gericht beim Verhör des unwürdigen Arztes nichts, aber rein gar nichts über eine Beteiligung des Totengräbers herausgefunden haben, obwohl man dem Medicus sogar mit der ›hochnotpeinlichen Befragung‹ gedroht hat.«
    Um sich zu beruhigen, zog der Kastellan ein paar Mal an der Pfeife, bevor er seinen Standpunkt weiter begründete: »Ich war selbst bei den Verhören dabei und habe nicht den geringsten Anlass gehabt zu glauben, dass der Medicus, der zu diesem Zeitpunkt gewusst hat, dass sein Leben keinen Heller mehr wert ist, nicht alles sagen würde. Und vergiss nicht, dass ich mich außerdem mit anderen Dingen beschäftigen musste: Immerhin ist kurz darauf die echte Pest ausgebrochen. Dazu ist noch gekommen, dass die Probleme bei uns – und später auch bei den Bombergs – immer größer geworden sind.«
    Der Kastellan legte seinen Kopf in die Hände, die er auf der Tischplatte wie zum Gebet gefaltet hatte.
    Nepomuk wartete einen Augenblick, bevor er weitersprach: »Ich weiß, dass du es seit geraumer Zeit nicht leicht hast, bitte dich aber um Lodewigs willen dennoch, die Sache mit mir weiter zu besprechen. Auch wenn wir müde sind, Schlaf finden wir beide jetzt doch sowieso nicht, oder?«
    Das Familienoberhaupt der Dreylings von Wagrain hob sein Haupt und nuckelte wieder an der Pfeife: »Du hast recht, Nepomuk. Bitte, fahr fort.«
    »Ich danke dir, mein Freund. Ich werde mich kurz fassen. Also: Was glaubst du, hätte aus Sicht des Arztes und des Totengräbers geschehen müssen, wenn sie nicht verraten werden wollten? – Immerhin wussten sie nicht, was deine Söhne mitbekommen haben und mussten im schlimmsten Falle davon ausgehen, dass die Knaben alles gehört haben und die ganze Schweinerei aufdecken könnten.«
    Obwohl er es immer schon geahnt hatte, klatschte sich Ulrich mit der flachen Hand so an die Stirn, als wenn er eine absolute Neuigkeit gehört hätte. »Natürlich! Sie hätten die Buben zum Schweigen bringen müssen.«
    »Und genau dies hat der Totengräber versucht … und letztlich auch getan: Zuerst hat er Didrik, den jüngsten Sohn der Blaufärber, mit deinem Diederich verwechselt. – Aber dies haben du und Konstanze ja schon längst vermutet.« Nepomuk legte eine kurze Pause ein, bevor er fortfuhr: »Dann hat er gefolgert, dass dessen älterer Bruder Otward ebenfalls auf dem Friedhof dabei war, weswegen er ihn in diesem Teich dort unten ermordet hat.« Während Nepomuk in Richtung des kleinen Gewässers zeigte, bestätigte der Kastellan dessen Aussage, indem er diese wütend konkretisierte: »Im Entenpfuhl. Der Saukerl hat Otward im Entenpfuhl ersäuft.«
    »Ja! Aber irgendwann hat er gemerkt, dass er die Falschen zum Schweigen gebracht hat und … «
    »Also doch: Dann hat dieses Drecksschwein auch noch unseren Kleinen umgebracht! … Irgendwie habe ich mir so etwas gedacht, wollte es aber nicht wahrhaben«, entfuhr es dem Kastellan, der sich dabei nicht gerade um einen leisen Ton bemühte, obwohl er seine Frau nicht aufwecken wollte.
    »Sicher hast du von deinem stillen Verdacht niemandem etwas gesagt, weil du deine Frau schützen und sie nicht noch mehr beunruhigen wolltest.«
    Der Kastellan nickte, bevor er dies bestätigte: »Ja, mein Freund – es war ja nicht einmal ein ernster Verdacht, sondern nur eine vage Vermutung. Außerdem hat es nicht den geringsten Anhaltspunkt, geschweige denn einen echten Hinweis auf ein Verbrechen an Diederich gegeben. Alles hat so ausgesehen, als wäre es ein Unfall gewesen.«
    »Ich verstehe … «
    »Aber – verdammt noch mal – falls es nun doch kein Unfall gewesen ist, wie sollen wir

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