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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Hälfte einer Stunde saß Ulrich Dreyling von Wagrain mit seinem Freund Nepomuk vor dem Kamin und stopfte gerade seine Pfeife. Eine ganze Zeit lang sprach keiner der beiden ein Wort. Stattdessen sinnierten sie so lange stumpf vor sich hin, bis sich der Hüne mit einem Sprung erhob, der den Stuhl verdächtig gieren ließ. »Ich bin gleich wieder zurück«, raunte er Ulrich in einem Ton zu, der irgendwie freudig erregt klang, anstatt Wut und Trauer wegen der toten Frau oder besorgte Verwunderung über Lodewigs Verschwinden mitschwingen zu lassen.
    Als er zurück war, setzte er Wasser für einen beruhigenden Kräutersud auf. Obwohl beide todmüde waren, wollten sie jetzt nicht an Schlaf denken. Zu viele Gedanken schwirrten durch ihre Köpfe: Die tote Frau, auf der immer noch Lodewigs Wams lag – sie konnten es sich nicht erklären. Was hatte Lodewig mit diesem Weib zu schaffen? Hat er sie gar … ? Nein! Der Kastellan schüttelte energisch den Kopf. Diesen Gedanken wollte er erst gar nicht aufkommen lassen. Warum auch? Lodewig liebte Sarah und hatte sogar ein Kind mit ihr. Und er war sein Sohn – ein grundguter junger Mann von Stand, der zu Recht und Glauben erzogen worden war! Er war sogar ein ausnehmend schneidiger Bursche.
    »Na ja, so, wie die Dinge liegen … «, bemerkte Nepomuk fast etwas provokant. Da der Benediktinermönch eine ehrliche Haut war, lag ihm sehr daran, die Dinge offen auszusprechen, auch wenn sie noch so unangenehm waren und seinem Freund Ulrich nicht gefallen mochten. »Aber was ist mit dem Rotztuch, das wir unweit davon gefunden haben?«
    Anstatt die erwartete Antwort zu geben, zog es der vom Schicksal arg gebeutelte Vater vor zu schweigen. Es war ein merkwürdiges, ein schmerzhaftes Schweigen, das Nepomuk Sorgen bereitete. Die größten Sorgen machten ihm allerdings die von ihm entdeckten Kampfspuren und natürlich Lodewigs Verschwinden selbst. Beruhigend war dabei nur, dass sie keine Blutspuren entdeckt hatten. Dies ließ hoffen, dass der Vermisste nicht verletzt war. Während den Kastellan in erster Linie diese Gedanken beherrschten, ließ Nepomuk das Gespräch mit dem Blaufärber Revue passieren. »Didrik … Diederich? Ein merkwürdiger Zufall?«, fragte er sich wieder und wieder.
    Obwohl die beiden beim Nachlegen des Holzes und beim Schüren des Feuers jedes unnötige Geräusch vermieden hatten und jetzt schon eine ganze Zeit lang wortlos dasaßen, war Konstanze aufgewacht. Ihr war wohl der Geruch des Feuers in die Nase gekrochen. Oder sie hatte dessen heimelig anmutendes Prasseln gehört. Jedenfalls stand sie auf, streifte sich einen Umhang über und ging in die Küche. »Wo seid ihr so lange gewesen?«
    Als sie die erschrockenen Blicke der beiden sah, reihte sie – ohne eine Antwort abzuwarten – eine Frage an die andere: »Wo kommt ihr her? Ihr werdet mir doch wohl nicht erzählen wollen, dass ihr so lange beim Propst gewesen seid. Habt ihr dem Alkohol gefrönt? Was schaut ihr so betreten drein? Habt ihr ein Geheimnis? … Und wo überhaupt ist Lodewig, war er nicht bei euch? … Sarah weiß auch nicht, wo er ist, sie macht sich schon große Sorgen.«
    Da der Kastellan nicht so recht wusste, was er seiner Frau sagen sollte, rieb er sich mit zwei Fingern die Nasenflügel und starrte so lange auf die Tischplatte, bis er Mut gefasst hatte: »Komm her, meine Liebe. Ich muss dir etwas sagen.«
    »Nein!«, entfuhr es Konstanze entsetzt, während ihre Blicke fragend zwischen den beiden hin und her irrten.
    Ulrich versuchte zu lächeln und streckte seine Hand nach ihr aus. Aber die besorgte Mutter blieb wie angewurzelt stehen und schlug ihre Hände vors Gesicht. »Nicht schon wieder«, flüsterte sie in schmerzhaften Gedanken an ihren unlängst verunglückten Sohn Diederich.
    »Komm zu mir. Bitte!«, verlieh Ulrich seinem Wunsch, Konstanze neben sich zu haben, Nachdruck.
    Als sie sich zu ihm gesetzt und Nepomuk ihr einen Becher Kräutersud in die Hand gedrückt hatte, brachten ihr die beiden Männer behutsam bei, dass Lodewig verschwunden war. Dabei redeten ihre Hände, die sich einmal zur Faust formten, dann aber wie zum Gebet falteten, beschwörend mit. Auch wenn sie noch so oft bemerkten, dass Lodewigs Fernbleiben nichts heißen müsse und er morgen sicher wieder hier sein würde, glaubte ihnen Konstanze kein Wort. Dazu hatte sie in der Vergangenheit zu viel mitmachen müssen. Schlagartig stiegen in ihr alle Erinnerungen an die bisherigen Geschehnisse hoch. Gerade so, als wenn sie erst

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