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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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dies jemals beweisen?«, schimpfte Ulrich aufgebracht.
    »Hiermit«, triumphierte der Mönch grinsend und schmiss lässig einen halbvermoderten Lederbeutel auf den Tisch.
    »Was ist das?«, fragte der aufgebrachte Familienvater irritiert.
    Nepomuk lachte auf. »Während du vorhin Konstanze wieder zu ihrem Lager gebracht hast, ist mir etwas eingefallen und ich bin in meine Kammer gegangen, um das hier zu holen.« Er zeigte auf den Lederbeutel und nahm ihn wieder an sich, um die Schleife zu öffnen. Langsam ließ er den Beutelinhalt auf den Tisch gleiten. Zur Verwunderung seines immer noch verdutzt dreinschauenden Freundes klimperte dabei so viel Geld auf den Tisch, dass es ihm schummrig vor den Augen wurde. Dazu kamen auch noch etliche Rosenkränze, Halsketten, Fingerringe und ein Schlüssel zum Vorschein.
    »Und was ist das?«, fragte der Kastellan, während er auf ein kleines Leinensäckchen, das offensichtlich durch das schützende Leder des Beutels von der Feuchtigkeit noch nicht allzu angegriffen worden war, deutete.
    »Gemach, gemach! Immer der Reihe nach«, versuchte Nepomuk, sein Wissen auszukosten.
    Aber der Kastellan war nicht in der Stimmung für Rätselraten: »Nun mach schon«, pfiff er ihn an.
    »Bevor ich dir sage, wo ich den Beutel gefunden habe, muss ich dir beichten, dass ich ihn – gleich nachdem ich ihn an mich genommen und in meine Kammer gebracht habe – weggeräumt und dann vergessen habe. Irgendwann ist er mir wieder eingefallen und ich habe ihn geöffnet. Dabei war ich genauso erstaunt wie du jetzt. Der Platz, an dem ich den Beutel gefunden habe, hat mich zum Nachdenken gebracht und mich nachforschen lassen.«
    »Ja, in Dreiherrgottsnamen! Wo hast du diesen Scheißbeutel denn nun gefunden?«
    »Das erzähle ich dir gleich. Lass uns zuvor den Inhalt durchgehen.«
    Obwohl er merkte, dass sein Freund innerlich zu bersten drohte, legte Nepomuk die einzelnen Teile in aller Ruhe fein säuberlich nebeneinander und klatschte mit einer Hand so fest auf das Geld, dass ein paar Gulden vom Tisch kullerten.
    »Auch wenn dies so viel Geld ist, dass es nur einem reichen Mann gehören kann, ist es lediglich ein Indiz und kein Beweis für den von mir vermuteten Besitzer. Ebenso verhält es sich mit dem mir durchwegs gebraucht erscheinenden Schmuck.«
    »Mag sein«, antwortete Ulrich mit einer hilflosen Geste, die Nepomuk recht geben sollte. »Aber wer ist in Staufen schon reich?«
    »Warte ab: Zwei der anderen drei Dinge können aufgrund meiner Recherchen einer ganz bestimmten Person zugeordnet werden.«
    »Welche denn?«
    »Du wirst gleich selbst drauf kommen.«
    Nepomuk deutete auf das kleine Leinensäckchen. »Darin befinden sich zerriebene Blätter, von denen ich zuerst angenommen habe, dass es sich um Giftkräuter handelt. Aber aufgrund der Tatsache, dass der Beutel lange Zeit der Nässe ausgesetzt war, hatte ich mit dieser Meinung zunächst unrecht. Ich habe eine längere Zeit benötigt, um herauszufinden, worum es sich in Wirklichkeit handelt.«
    »Um was denn, im Namen der Heiligen Jungfrau Maria?«, flehte der Kastellan seinen Freund an, ihn endlich aufzuklären.
    »Um Misteln!«
    Es herrschte eine Weile nachdenkliche Ruhe – so lange, bis Nepomuk zufrieden feststellte, dass sein Freund zwar nichts sagte, vor Neugierde aber schier zu platzen drohte. Wie immer, wenn er einen scholastischen Vortrag hielt, stand der hünenhafte Medizinprofessor auf, legte seine Hände auf den Rücken und lief im Raum auf und ab. »Also … « Er räusperte sich. »Misteln waren schon zu alemannischen Zeiten so etwas wie ein Talisman. Während der großen Pestwelle im 14. Jahrhundert haben viele, die mit den Infizierten zu tun hatten, Mistelzweige bei sich getragen, um sich vor Ansteckung zu schützen. Später wurde die Mistel zum magischen Amulett und gegen böse Mächte, auch zum Schutz vor Hexen, eingesetzt.« Nachdem er dies gesagt hatte, bekreuzigte sich der Diener Gottes.
    »Und weiter?«, drängte Ulrich, der nicht lange warten musste, bis sich Nepomuk wieder gefangen hatte und weitersprach. »Von jeher wurde diesem Gewächs Heilkraft nachgesagt. Wenn das einfache Volk früher die Mistelzweige lediglich in Häusern und Ställen zum Schutz für Mensch und Vieh aufgehängt hat, werden diese heute wieder von all jenen, die mit Seuchen und Krankheiten zu tun haben, zu ihrem persönlichen Schutz am Körper getragen. Bader, Ärzte … «
    »… und Totengräber«, ergänzte Ulrich den heilkundigen Mönch, der sich

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