Der Peststurm
Schnaps in die Hände gedrückt hat.«
»Ja, und?«
»War der Medicus … dieser Heinrich … Heinrich Schwartz … nicht dem Alkohol verfallen?« Nepomuk schaute seinem Freund fragend in die Augen und wartete darauf, dass es bei Ulrich endlich zünden würde.
Der überlegte ein Weilchen, strich sich immer wieder den Bart und schüttelte den Kopf: »Du meinst? Das glaub’ ich einfach nicht. Das darf doch nicht wahr sein.«
»Doch! Beim zweiten Mann auf dem Kirchhof hat es sich meiner Meinung nach ziemlich sicher um diesen versoffenen Medicus gehandelt. Er und der Totengräber haben die Sache mit der vermeintlichen Pest seinerzeit gemeinsam ausgeheckt.«
»Dass der Medicus dem Schnaps über die Maßen zugetan war, hat damals jeder gewusst. Aber das ist doch noch kein Beweis dafür, dass er die Sache zusammen mit dem Totengräber geplant hat. Jedenfalls haben meine Buben davon nichts mitbekommen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte ich den Totengräber und den Medicus sofort einlochen lassen«, empörte sich der Kastellan, als wenn er jetzt noch etwas daran ändern könnte.
»Aber der Totengräber hat deine Söhne kreuz und quer über den Kichhof gejagt!«
Der Kastellan nickte. »Das stimmt schon, … aber die beiden haben sich zu dunkler Stunde unerlaubt dort aufgehalten. Es war das gute Recht des Totengräbers, die beiden zu stellen und zu bestrafen.«
»Ist ja schon gut. Das glaube ich dir gerne. Aber du wirst mir recht geben, wenn ich darin zumindest ein Indiz sehe! Oder kennst du einen anderen Säufer in Staufen?«
»Nicht viele! Der Medicus war einer der wenigen, die sich dieses von Gott verdammte Laster leisten konnten.«
»Offensichtlich wohl auch nur mit Hilfe des Totengräbers«, witzelte Nepomuk und resümierte weiter. »Außerdem sprechen ein paar weitere Punkte dafür, dass dieser Ruland Berging für die Umsetzung des scheußlichen Plans die Hilfe des verdorbenen Arztes benötigt hat.«
Ulrich runzelte die Stirn. »Welche?«
»Erstens: Wer wäre wohl dazu in der Lage gewesen, Kräuter so sachkundig auszuwählen und so gut dosiert zusammenzumischen, dass deren Verabreichung augenscheinlich die Symptome der Pest hervorrufen?«
»Ein Apotheker! Ein Bader … oder ein Medicus?«, fragte Ulrich, der nur leise ahnte, worauf Nepomuk abzielte, zaghaft.
»Ja, mein Freund! Dies kann nur einer, der sich mit der Wirkung von Pflanzen auskennt. Hat Eginhard die Blätter und Wurzeln damals etwa nicht eindeutig identifiziert und festgestellt, dass sich darunter hauptsächlich giftige Gewächse befunden haben?«
Der Kastellan nickte.
»Denk doch nur an den Eisenhut, den Gefleckten Schierling … und hast du mir nicht erzählt, dass Eginhard in der Kammer des Arztes sogar die absolut tödliche Hundspetersilie entdeckt hat? Wozu benötigt ein einfacher Landmedicus, der eigentlich Krankheiten heilen sollte, derart giftige Drogen?«
»Das mag ja alles recht und logisch sein. Was du da sagst, weiß ich schon längst. Deswegen ist der Medicus ja verurteilt und aufgehängt worden. Du sagst mir also nichts Neues. Aber was ist der zweite Punkt, den du als Beweis anführen wolltest?«
Der Mönch lehnte sich fast genüsslich zurück, machte eine Pause und rieb sich bei dem Gedanken, recht haben zu können, die Hände: »Erinnerst du dich daran, als wir beim Kräutermann in Genhofen waren, um uns beide und Remig für die Überquerung des Hahnschenkels schminken zu lassen?«
»Na klar! Es ist ja noch nicht lange her.« Bei dem Gedanken daran musste er trotz der momentan beängstigenden Situation grinsen.
»Genau: Der Kräutermann! … Wie hieß der noch?«
»Tilman oder Til!«, wusste der Kastellan nicht mehr genau.
»Danke! Er hat bei unserem Besuch beiläufig erwähnt, dass der letzte Staufner, der ihn besucht habe, der Medicus war. Und dies zufällig, kurz bevor die ersten Menschen an der vermeintlichen Pest gestorben sind.«
»Ja, aber das ist ebenfalls nichts Neues, weil dies der Medicus vor dem Ausschuss zugegeben hat. Nachdem Eginhard die Sache aufgedeckt hat, wurde der Arzt gefangen gesetzt, vor Gericht gestellt und letztendlich sogar aufgeknüpft.«
»So weit, so gut. Aber was ist mit dem Totengräber?«
Der Kastellan ballte die Fäuste. »Obwohl ich ihn irgendwie immer in Verdacht gehabt habe, konnte ich nichts gegen ihn unternehmen.«
»Warum nicht?«
»Aus meiner Erfahrung als Gerichtsbeisitzer heraus wusste ich, dass die Aussagen eines unmündigen Knaben und eines jungen Mannes vor Gericht
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