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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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die letzten Fetzen aus ihrem Herzen reißen, wenn sie wüsste, dass unser geliebter Otward tatsächlich tot und hier – so nahe an seinem Elternhaus – gestorben ist, durchfuhr es ihn immer wieder, während er seine ganze Kraft aufwendete, um seine Beine aus dem Sumpf zu ziehen.
    Dabei sah er den Grund, weshalb er überhaupt in den Teich gefallen war: einen Fetzen Stoff, der zweifellos von Otwards Hemd stammte. Er nahm ihn an sich und ließ ihn ebenfalls in seiner triefnassen Tasche verschwinden, um ihn vor seiner Frau zu verstecken. Als er aus dem Wasser stieg, zitterte sie immer noch vor Entsetzen. Es brauchte schon sehr viel Kraft, sich selbst nichts anmerken zu lassen und gleichzeitig die eigene Frau zu beruhigen. Aber dem braven Mann gelang beides bemerkenswert gut. Nass wie er war, nahm er sie in den Arm.
    »Es ist wirklich nichts passiert und die Sonne wird mich wärmen. Komm, wir gehen nach Hause und verbinden den kleinen Schnitt, der wohl von einem scharfkantigen Blatt oder von einem Ast herrührt.«
    Während des Heimweges kämpfte der Blaufärber mit den Tränen, unterdrückte sie aber, um seine Frau nicht noch mehr zu beunruhigen. Die liebende Gattin merkte dennoch, dass etwas nicht stimmte, und sprach ihn mehrmals darauf an.
    »Ach, es sind nur der Schrecken und die Schmerzen, die der Schnitt verursacht hat. Aber halb so schlimm«, lenkte der Blaufärber ab, während er krampfhaft überlegte, was wohl mit Otward geschehen und warum er zu Tode gekommen war.
     
    *
     
    Da außer einer Person niemand wusste, was damals wirklich passiert war, konnte der Blaufärber auch nicht ahnen, dass sein Sohn der ›Legende des verschollenen Alemannenschatzes‹ zum Opfer gefallen war. Der Totengräber hatte diese alte Geschichte benutzt, um den unwissenden Sohn des Blaufärbers an den Entenpfuhl zu locken. Der Fiesling hatte Otward glaubhaft gemacht, dass der Entenpfuhl früher wesentlich größer gewesen sei – was teilweise sogar stimmte – und im Laufe der Jahrhunderte zunehmend verlandet war. Dadurch wäre der einst versenkte Schatz nicht mehr im Wasser, sondern im Uferbereich. Da er die genaue Stelle wüsste, würden sie nur noch danach graben müssen. Obwohl niemand genau wusste, um welchen Schatz es sich überhaupt handelte und ob es ihn tatsächlich gab, hatten Generationen von Staufnern erfolglos danach gesucht.
    Zum Heben der Beute würde er einen Helfer benötigen, den er mit der Hälfte des Schatzes beteiligen würde, hatte der Totengräber den jungen Mann gelockt, der ihm in seiner Verblendung alles geglaubt hatte und immer erpichter auf die Sache geworden war. So war es für Ruland Berging ein Leichtes gewesen, Otward auch noch das Versprechen abzunehmen, niemandem etwas davon zu erzählen. Da sich der etwas einfältige junge Mann an diese Abmachung gehalten hatte, war es dem Totengräber gelungen, am vereinbarten Termin auf den Färbersohn – den er damals noch für denjenigen gehalten hatte, der ihn und den Medicus einst im Kirchhof belauscht hatte – zu warten, um ihn umbringen zu können.
    Dass dies alles andere als leicht werden würde, hatte der Totengräber nicht ahnen können. Er hatte geglaubt, dem unliebsamen Mitwisser nur einen Holzpflock über den Schädel ziehen zu müssen, um seine Probleme loszuwerden.
    So hatte er gewartet, bis Otward sich von ihm abwenden und nach vorne beugen würde, um die vermeintliche Fundstelle besser betrachten zu können. Aber genau in dem Moment, als der Totengräber hatte zuschlagen wollen, hatte sich sein Opfer umgedreht und den Schlag geistesgegenwärtig abgewehrt. Das Holz hatte zwar noch seinen Kopf getroffen, aber nur eine Platzwunde verursacht. Schlimmer war es dem Arm, mit dem Otward den Schlag abzuwehren versucht hatte, ergangen. Die Wucht war so stark gewesen, dass sie es vermocht hätte, seinen Schädel zu spalten, wenn er dort getroffen worden wäre. Daraufhin hatte sich ein Kampf auf Leben und Tod entsponnen, in dessen Verlauf das linke Auge des Totengräbers dank des Messers, das Otward gerade noch mit seiner gesunden Hand hatte ziehen können, böse zugerichtet worden war. Diese und andere Verletzungen hatten den Totengräber zwar derart entstellt, dass er nach diesem Kampf das Weite hatte suchen müssen, hatten aber dem erst 16-jährigen Otward, der dem Totengräber letztendlich unterlegen gewesen war, nichts genutzt. Der Stärkere hatte gesiegt.
    Als alles vorüber war, hatte der Totengräber den besinnungslosen Sohn der Blaufärbers

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