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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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mitsamt seinem Messer in den Teich geworfen und ihn dem Ertrinken überlassen. Er hatte sich dessen Fuhrwerk mit allem, was darauf gewesen war, geschnappt, um noch am selben Tag aus Staufen zu fliehen. Wissend, dass man den Toten früher oder später finden würde, hatte er befürchten müssen, dass seine auffälligen Gesichtsverletzungen mit dessen Tod in Verbindung gebracht werden könnten. Deswegen hatte er sich trotz seiner Schmerzen nicht einmal dem Medicus anvertraut und sich notdürftig selbst verarztet. Da er seinem Kumpan nicht hatte trauen können, hatte er Angst davor gehabt, von ihm erpresst zu werden. So war er bis nach Bühl gefahren, um eine ihm bekannte Herbaria aufzusuchen, die dort in einer eigentümlichen Behausung lebte. Der als Hexe verschrienen Heilerin hatte er einst – als er noch gräflicher Beamter in der Immenstädter Bibliothek gewesen war – einen Gefallen getan und ihr dadurch mehr oder weniger das Leben gerettet. So hatte er gehofft, dass sie ihm dies nun zurückzahlen würde, indem sie seine Wunden behandelte und sein arg zugerichtetes Auge heilte. Und er hatte sich nicht getäuscht. Er war bei ihr bis zur völligen Abheilung seiner Wunden geblieben. Die Alte hatte ihm noch ein Mittelchen mitgegeben, das er täglich auf sein lädiertes Auge schmieren sollte, wenn er es retten wollte.
    »Das Auge können wir vielleicht erhalten, aber es werden wüste Narben zurückbleiben, auch wenn du es mit der Salbe pfleglich behandelst. Die Narben am Hals und am Mund werden ebenfalls für immer bleiben. Das Beste wird sein, wenn du dir wieder einen Bart wachsen lässt, damit sie niemand sieht«, hatte sie ihm noch mit auf den Weg gegeben.
     
    *
     
    Der sonnige Tag sollte nicht nur für den Blaufärber ungeahnt Böses bereithalten. Auch sonst war nicht alles so friedlich, wie es aufgrund des schönen Wetters den Anschein hatte. Konstanze, die stets kränkelnde Frau des Kastellans, besuchte Judith Bomberg und hatte ihren Jüngsten dabei. Seit die beiden Frauen zusammen mit ihren Kindern Otwards Leiche im Entenpfuhl entdeckt hatten, waren die manchmal etwas strenge Kastellanin und die eher zart wirkende Jüdin Freundinnen geworden. Obwohl Judith sich mit den schönen Dingen des Lebens nicht so gut auskannte wie ihr Mann, der in jungen Jahren ein Antwerpener Buchdrucker gewesen war, verband sie mit Konstanze die Liebe zur Musik und zur Dichtkunst, was immerhin so viel hieß, dass sie lesen und schreiben konnte – ein Privileg, das sie mit nur wenigen Menschen ihres niederen Standes, und schon gar nicht mit anderen Frauen, teilte. Sie nutzte ihr Wissen, um es an ihre Töchter weiterzugeben. Gerade weil sie Jüdinnen waren, wollte ihnen Judith möglichst viel mit auf den Weg ins nicht immer leichte Leben mitgeben.
    Da Lodewig die Gelegenheit nützen wollte, seine Geliebte zu besuchen, fragte er den Vater, ob die ihm aufgetragene Arbeit einen Tag Aufschub dulden würde.
    »Na, geh schon«, schmunzelte der Kastellan, »und grüß’ Sarah recht herzlich von mir!«
     
    Als die drei im Unterflecken ankamen, sprangen ihnen Judiths Töchter entgegen. Lodewig hielt seine Arme weit auf, um Sarah aufzufangen und durch die Luft zu wirbeln, bevor er sie fest an sich drückte und sie sanft küsste.
    »Na, na, na! Nicht in der Öffentlichkeit«, gemahnte Judith die jungen Leute zur Sittsamkeit, während sie sich prüfend nach allen Seiten umsah.
    »Entschuldigt, aber es musste einfach sein«, gab Lodewig verschämt zur Antwort.
    Da das verliebte Paar allein sein wollte, ging es nicht ganz bis zum Haus mit. »Wir laufen ein Stück den Seelesgraben hinunter«, rief Sarah winkend zurück.
    »Gebt auf euch acht«, sprudelte es unisono aus den beiden Frauen heraus, die, darüber lachend, ins Haus gingen.
    Ihre Kleinen blieben indes draußen, um zu spielen. Judith vergewisserte sich noch mit einem Blick aus dem Fenster, dass die Kinder in Sichtweite des Hauses waren.
     
    *
     
    Lea warf haufenweise trockenes Laub des letzten Herbstes in den Seelesgraben, ein friedlich dahinfließendes Bächlein, und sah zu, wie es langsam davonschwamm. Sie winkte den Blättern, die sich nach und nach voneinander lösten, fast melancholisch nach. Kaum ein Blatt würde den weiten Weg bis zur Argen schaffen, geschweige denn bis zum Bodensee oder von dort aus weiter. Kein einziges Blatt würde sich im Kehrwasser des Rheinfalles wälzen. Manche Blätter verfingen sich sogar schon hier im Eis, das am Bachrand immer noch nicht ganz

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