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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ausschüttelte, wich der Propst ängstlich und angewidert einen Schritt zurück.
    »Seid unbesorgt, bei meinen Untermietern handelt es sich nicht um Pestflöhe. Ich kenne jedes einzelne Exemplar persönlich. Sie ärgern mich zwar täglich, sind aber harmlos«, scherzte Fabio, wurde aber schlagartig wieder ernst. »Also gut. Wie viel bekomme ich, wenn ich diese schwere und gefährliche Arbeit auf mich nehme?«, fragte er selbstbewusst, legte sein juckendes Haupt in den Nacken und drückte gleichzeitig sein Kinn nach unten, damit er den kleiner gewachsenen Mann Gottes von oben herab mustern konnte.
    Der Propst überlegte kurz und versprach ihm eine feste Anstellung im Schloss. »Wenn dich der Kastellan wider Erwarten doch nicht aufnehmen sollte, kommst du unter meine Fittiche. Ich bräuchte sowieso wieder einen Mesner.«
    Da Johannes Glatt merkte, dass er Fabio mit einer festen Anstellung nicht zu locken vermochte, versuchte er es auf die seit Menschengedenken am besten funktionierende Art: »Fest versprechen kann ich dir … «, er fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger übers Kinn, bevor er nur noch die beiden Finger aneinanderrieb, während er laut überlegte, »sagen wir … einen Dreiviertelgulden.«
    Jetzt überlegte Fabio ein Weilchen, bevor er seinem Gegenüber die Hand hinstreckte und gleichzeitig ein Gegenangebot machte: »Zweieinhalb!«
    Da der Propst wusste, dass diese Arbeit von niemand anderem übernommen werden konnte, musste er wohl oder übel Fabios Forderung annehmen. »Also gut«, entgegnete er mit einem gequälten Lächeln und beschloss, dem Kastellan das Geld vorzustrecken. »Du bekommst sofort einen Gulden!«
    »Zwei!«
    »Du Halsabschneider! Mein letztes Angebot: Ich gebe dir eineinhalb Gulden. Aber denke daran, dass morgen Sankt Nikolaustag ist.«
    »Na und? Was habe ich damit zu schaffen?«, fragte Fabio, sichtlich verwirrt.
    »Der Heilige Nikolaus ist unter anderem auch der Schutzheilige der Diebe! Und dass du zumindest ein Halsabschneider bist, hast du soeben bewiesen«, kam es lachend zur Antwort.
    Fabio wehrte mit einer Hand ab, während er dem Propst die andere hinhielt, um das Geld im Voraus zu kassieren.
    Propst Glatt konnte gar nicht so schnell schauen, wie das Schlitzohr den warmen Regen in seiner Tasche verschwinden ließ, bevor er sich auf den Weg machte, um einen neuen Karren aufzutreiben. Da Fabio nicht wissen konnte, dass der bisher benutzte Leichenwagen in tausend Stücke zersplittert in einer Wiese lag, hatte er sich schon gewundert, wo das gute Stück abgeblieben war. Nachdem aber niemand etwas darüber zu wissen schien, kein neuer Karren aufzutreiben war und er schon aufgeben wollte, wurde er schließlich doch noch fündig. Der Propst selbst hatte ihm den Hinweis und den Schlüssel gegeben, um in der alten Getreideschranne nachsehen zu können. Und Fabio hatte Glück: Hinter etlichen alten Schesen , haufenweise Wagenrädern aller Größen und allerlei Gerümpel lehnte tatsächlich ein brauchbar aussehender Karren mit ungewöhnlich langen Zugstangen an der Wand. Der machte zwar einen solch schweren Eindruck, dass Fabio befürchtete, ihn nicht mehr nach Staufen hochbringen zu können, selbst wenn beim Rückweg keine Leichen darauf liegen würden. Dennoch schien er sich für seine Mission zu eignen.
    Und wenn der Karren tatsächlich zu schwer ist, lasse ich ihn einfach in Weißach unten. Es ist sowieso meine allerletzte Fracht, dachte er zufrieden.
    So konnte er sich auf den Weg machen, um sich redlich das Geld zu verdienen, das er bereits in seiner Tasche hatte.
     
    *
     
    Der Nebel am Morgen des Nikolaustages ließ nur ein unheimlich wirkendes Gerumpel und Geknarze, aber keine Sicht durch. Er war noch nicht bereit, den Blick auf das freizugeben, was den höllischen Lärm verursachte. Wenn es nicht zur Morgenstunde wäre, könnte man meinen, dass es die Rumpelklausen waren, die traditionsgemäß an diesem Tag einen mehr als 2000 Jahre alten Kult aus heidnischer Zeit lebendig werden ließen. Um in langen und kalten Winternächten der übermächtigen Furcht vor allem Unheimlichen entgegenzutreten, hatten sich schon die Kelten und Alemannen, aber auch die Sueben und Bajuwaren furchterregende Fellgewandungen und fantasievolle Reisig- oder Moosflechtenkombinationen übergestreift. Sie hatten ihre Köpfe unter wild anmutenden Tierschädeln und Kappen mit Hörnern oder Geweihen verborgen, um mit tosendem Schellen- und Glockengeläute, das meist von wildem Kettengerassel begleitet wurde,

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