Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
Vom Netzwerk:
meinen Informanten beschreiben und ihn über den Mann befragen können – vielleicht hätte er ihn gekannt?, dachte er sich und überlegte weiter: Sicherlich hat das Narbengesicht vom Totengräber Geld dafür erhalten, um in der Taverne auf einen eventuellen Verfolger zu warten und ihn auf eine falsche Fährte zu locken. Wieder fluchte er laut: »Das ist ihm ja bestens gelungen, und das Schwein konnte abhauen!« Dass ich sein Verfolger sein werde, konnte der Totengräber zwar nicht wissen, vielleicht aber ahnen, versuchte er weiter, sich einen Reim auf das Erlebte zu machen, und kam schlussendlich zu dem Ergebnis, dass nichts sicher war und er einfach weitersuchen musste, wenn er Erfolg haben wollte. Letztlich aber resignierte er doch noch und entschied sich zurückzureiten. Berging wäre schön dumm, mich gerade dorthin zu locken, wo er sich selbst aufhält. Aber wer weiß schon, was in einem solch kranken Hirn vor sich geht, dachte er noch, während er die belebte Marktstraße und die vielen Menschen betrachtete. Das bunte Stadtleben gefiel ihm und lenkte ihn für einen Moment vom Grund seines Hierseins ab. Ulrich Dreyling von Wagrain erwog sogar, sich vor dem Rückweg noch ein wenig in der pulsierenden Stadt umzusehen und bei den hiesigen Händlern nach Geschenken für die Frauen und die Kinder zu suchen. Wenn dann noch Zeit bliebe, könnte er vielleicht sogar auch noch zur Burg hochreiten, um mit dem dortigen Burgvogt ein Stündchen zu plaudern. Bis zum Sonnenuntergang würde er auf jeden Fall wieder zu Hause sein. Andererseits gebot ihm die Sorge um Lodewig, sofort heimzureiten.
    Vielleicht haben sie ihn zwischenzeitlich gefunden und es geht ihm gut, versuchte er sich einzureden, schaffte es aber nicht, die positiven Gedanken die Oberhand gewinnen zu lassen.
    Vielleicht ist Lodewig aber auch schon …
    Dies durfte er gar nicht erst zu Ende denken. Sonst würde er den Totengräber weiter – wenn nötig, bis ans Ende der Welt – jagen müssen.
    Der Kastellan ballte eine Faust und sagte so laut, dass es die ihn umgebenden Händler und deren Kunden hören konnten: »Wo mag der Saukerl wohl sein?« Selbst davon irritiert, ritt er ein Stück weiter, was seine Gedanken aber nicht verdrängte: Wenn Berging schon nicht in Ravensburg ist, dann hält er sich womöglich im nahen Weingarten auf … oder ist er schon auf dem Weg in die Altshausener Ecke?
    Diesen Teil der Landkarte kannte der Kastellan nur deshalb so gut, weil er dabei gewesen war, als sein Herr vor fünf Jahren die rothenfelsischen Grenzen neu vermessen lassen hatte und neue Grenzsteine gesetzt wurden. In diesem Zusammenhang war er weit über die Grenzen des rothenfelsischen Herrschaftsgebietes hinausgekommen. Außerdem waren seines Wissens in diesem Gebiet ebenfalls Königsegger – Verwandte seines Herrn – ansässig und in hohen Diensten der Kirche tätig.
    Er zermarterte sein Hirn weiter: Vielleicht ist der Schuft sogar nach Aulendorf unterwegs oder reitet von hier aus auf direktem Weg nach Waldsee. Bis Schussenried wird er ja wohl kaum kommen, dachte der Kastellan und lenkte seine Gedanken in die andere Richtung: Was ist, wenn er über Meckenbeuren und Tettnang doch noch an den Bodensee geritten ist und alles nur ein Ablenkungsmanöver war? Vielleicht ist er sogar in die große Stadt Buchhorn und von dort aus rechter Hand nach Meersburg oder Überlingen unterwegs? Dass er linker Hand Richtung Langenargen, Wasserburg und Lindau reitet, glaube ich nicht; da käme er ja wieder dem Allgäu, und somit auch Staufen, näher. Nein, das traut er sich nicht. Da kann es schon eher sein, dass er sich einen Lastenkahn sucht und den Schiffsmeister besticht, ihn über den See nach Romanshorn zu bringen … , und schon wäre der Saukerl in der Schweiz, was hieße, dass er für alle Zeiten unauffindbar wäre, ärgerte sich der Kastellan, der aber auch immer wieder das entfernte, dennoch gut erreichbare Reich der Franzosen als möglichen Fluchtort in Erwägung zog. Noch wäre die Möglichkeit, das zu Ende zu bringen, was ich mir vorgenommen habe, peitschten die Gedanken den Ehrgeiz des Kastellans an, der jetzt überhaupt nicht mehr wusste, was er tun sollte. Nach langen Abwägungen kam er schließlich zu dem Schluss, dass es wohl doch das beste wäre, auf direktem Weg nach Hause zurückzureiten.

Kapitel 58
     
    Seit am Nikolaustag mit der Frau des Werkzeugmachers das letzte Pestopfer begraben worden war, hatte es in Staufen bisher nur noch einen einzigen Toten

Weitere Kostenlose Bücher