Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
Vom Netzwerk:
und dann weggeschickt hatte, klopfte er an die reich geschnitzte Tür des noblen Bürgerhauses in der Humpisstraße, die ihm, weil man ihn aufgrund seines vornehmen Aussehens für einen zahlungskräftigen Kunden hielt, umgehend geöffnet wurde. Der Gast wurde höflich hereingebeten und freundlich begrüßt. Nachdem der Hausherr allerdings gehört hatte, dass der noble Gast ›nur‹ ein Beamter eines gewissen Grafen zu Königsegg-Rothenfels war, mit dem er nicht ins Geschäft kommen konnte, sollte das Gespräch nicht mehr lange dauern. So schnell der Kinderhändler darüber enttäuscht war, keinen Kunden vor sich zu haben, so schnell wurde auch der Kastellan von dem enttäuscht, was er von seinem Gegenüber zu hören bekam. Der gedrungene Mann mit pickeligem Gesicht und glänzendem Kahlkopf versicherte ihm absolut glaubwürdig, dass er noch niemals in seinem Leben etwas mit einem gewissen Ruland Berging, geschweige denn mit einem Totengräber aus einem Allgäuer Dorf namens Staufen, zu schaffen gehabt hätte.
    »Ich kenne zwar ein Staufen, aber das liegt im schönen Breisgau«, sagte er fast trotzig. Gleich fügte er noch hinzu: »Aber auch da gibt es Königsegger! Zumindest hat … «, er überlegte kurz, bevor er weitersprach, »vor gut 40 Jahren ein Marquard Freiherr von Königsegg eine gewisse Justina von Staufen, eine Erbtochter der kleinen Herrschaft im Breisgau, geehelicht.«
    Der Kastellan wunderte sich zwar über das profunde Wissen seines Gegenübers und darüber, dass er parallel dazu mit einem Allgäuer Ort namens Staufen so überhaupt nichts anzufangen wusste, konnte daraus aber keinen Nutzen für sich ziehen. Das änderte sich auch nicht, als er den Totengräber genau beschrieb und dem als raffgierig bekannten Kinderhändler eine interessante Summe anbot.
    Der gewiefte Geschäftsmann kniff dabei zwar die Augen zusammen und überlegte, was er dem Kastellan auftischen könnte, um an das Geld zu kommen, musste aber feststellen, dass ihm auf die Schnelle nichts einfiel und – egal, was er dem Schlossverwalter aus dem allgäuischen Staufen auch erzählen mochte – er schnell auffliegen würde, weil sich sein Besucher offensichtlich dermaßen an diesem Totengräber festgebissen hatte, dass er sich nicht mehr würde abschütteln lassen. Zudem war ihm der hohe Stand des Staufner Schlossverwalters soeben mitgeteilt worden und überdies dessen gute Bewaffnung aufgefallen. Obwohl sich der Kinderhändler auch von der bräunlich schimmernden Rüstung wenig beeindruckt zeigte, wusste er, dass es für ihn gefährlich werden konnte, sich mit der Obrigkeit anzulegen. Deswegen ließ er es, irgendwelche Märchen zu erfinden. Die Einzigen, die der Kinderhändler aus den Fragen des Kastellans heraus kannte, waren die Grafen zu Königsegg. Mit den hier im nahe gelegenen Schloss Aulendorf residierenden Verwandten des Immenstädter Grafen machte er immer Geschäfte, wenn zusätzliche junge kräftige Bauhelfer für deren Besitztümer auf dem Königseggerberg und in Aulendorf benötigt wurden oder wenn Bauholz in deren Wäldern geschlagen werden musste.
     
    *
     
    Obwohl der Kastellan sicher war, dass der Totengräber an der Herberge vorbeigekommen sein musste, weil sein Informant einiges über ihn gewusst hatte, verließ er resigniert das Haus des Kinderhändlers, anstatt sich darüber zu freuen, einen anderweitigen Hinweis darauf bekommen zu haben. Dennoch war er keinen Schritt weitergekommen. Er wusste jetzt lediglich mit etwas mehr Bestimmtheit, dass der Totengräber in der Herberge genächtigt hatte und sich jetzt zumindest in der Nähe von Ravensburg aufhalten könnte. Sicher war, dass sich Berging irgendwo im Oberschwäbischen und nicht am Bodensee herumtrieb, … zumindest im Moment.
    Dennoch erwog der besorgte Familienvater, sich auf den Heimweg zu machen. Es wurmte ihn, dass er hereingelegt worden war. Sein Informant musste den Totengräber in der Schankstube der Herberge kennengelernt haben. Da er die Geschichte des ›Tirolers‹ kannte, musste der Spitzbube wohl aus Ravensburg stammen oder zumindest von hier gekommen sein. Auch sein Dialekt würde dafür sprechen. Da jetzt aufgrund der Jahreszeit keine Saison für Kinderhandel war, könnte es sich um einen derzeit arbeitslosen Handlanger des ›Tirolers‹ gehandelt haben, der dem Kastellan gegenüber einfach zwei Dinge miteinander vermischt hatte, um an ein paar Kreuzer zu gelangen.
    »Verdammt«, rutschte es dem Kastellan heraus. »Ich hätte dem ›Tiroler‹

Weitere Kostenlose Bücher