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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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aufzubringen.
    Da sie plötzlich das schlechte Gewissen plagte, schlossen sie sich nach erfolgreicher Vernichtung der ›Beweismittel‹ ihres unverzeihlichen Frevels doch noch der Putzkolonne in der Kirche an. Letztlich war man ihnen sogar zu Dank verpflichtet, weil sie sich freiwillig dazu gemeldet hatten, die Leichenteile und die Knochen ordentlich der Erde zu übergeben.

Kapitel 59
     
    Es war der Tag des Herrn und die Kirche erstrahlte fast in altem Glanz. Für die meisten Staufner wirkte sie sogar noch schöner als je zuvor, obwohl sie von ihnen selbst aller Bänke beraubt worden war und dementsprechend ›unmöbliert‹ aussah. Den fehlenden Altar hatte Probst Glatt provisorisch durch einen weißen, in gold gefassten Tisch mit schön geschwungenen Füßen, aus der Sakristei und das Kreuz aus der St. Martins-Kapelle ersetzt. Dass es trotz der Not ein nicht wiedergutzumachendes Verbrechen gewesen war, die drei riesigen Holzfiguren der Kreuzigungsgruppe mitsamt dem Kreuz, die zwölf Apostel und dazu auch noch eine ganz besonders wertvolle Büste des heiligen Antonius von Padua zu zersägen und als Brennholz zu nutzen, flocht der Propst zwar in seine bewegende Predigt ein, erteilte aufgrund der außerordentlichen Notsituation den unbekannten Sündern aber gleichzeitig die Absolution, … falls sie ehrliche Reue empfinden und Buße tun würden, sofern ihnen dies möglich war.
    Umso mehr erfreuten sich die Kirchenbesucher an der kunstvoll geschnitzten, und an diesem Tag ganz besonders schön wirkenden, Heiligen Familie, die nur dem Verheizen entgangen war, weil sie, für die Allgemeinheit unzugänglich, in der Sakristei gelagert worden war.
    Der Umstand, dass die Sakristei von den allgemeinen Plünderungen verschont geblieben war, grenzte für den Propst an ein Wunder. Aus Dankbarkeit dafür hatte es sich der Kirchenherr nicht nehmen lassen und seine Pfarrkirche in ein Lichtermeer getaucht. Was er für ein Schlitzohr war und welch einen Schatz er die ganze Zeit über in der Sakristei versteckt gehalten hatte, zeigte sich, als er von zwei Knaben, die er kurzfristig als Messdiener rekrutiert hatte, Kerzen an die Kirchenbesucher verteilen ließ. Dabei ging niemand leer aus. Alle bekamen einen dieser wunderbaren Licht- und Wärmespender, den sie dankbar entgegen- und mit nach Hause nehmen durften.
    Dass es keine Kirchenbänke gab und die Gläubigen stehen mussten, störte heute niemanden. So hatten wenigstens alle Platz gefunden. Allerdings würden aufgrund der schmerzlichen Einwohnerdezimierung auch alle Platz gefunden haben, wenn die Kirchenbänke noch da gewesen wären. Aber darüber machte sich jetzt niemand Gedanken. Nach der leidvollen Apokalypse genossen sie das kleine Glück des Augenblicks voll religiöser Hingabe.
     
    Die Christvesper dünkte die Gläubigen heuer noch beeindruckender als im vergangenen Jahr. Der Propst legte sich während der ganzen Zelebration voll ins Zeug; er machte den gebeutelten Menschen Mut, indem er während seiner Predigt über den Glauben, die Liebe, vor allen Dingen aber über die Hoffnung sprach. Unterstützt wurde er dabei in Konzelebration von Bruder Nepomuk, der auch die Fürbitten verlas, die wegen seiner sonoren Stimme für eine besonders feierliche Atmosphäre sorgten.
    Die Anrufung der Dreifaltigkeit galt in erster Linie all denen, die durch die Pest ihr Leben hatten hingeben müssen, und deren Hinterbliebenen. Aber auch den Sündern, die diese Seuche skrupellos für ihre eigenen Interessen ausgenutzt und Profit daraus geschlagen hatten. Als er in diesem Zusammenhang die Namen Heinrich Schwartz und Ruland Berging in den Mund nahm, ging ein Raunen durch die Menge, das erst wieder verstummte, als sie von Bruder Nepomuk daran erinnert wurden, dass zumindest die Verbrechen des Arztes gesühnt worden seien.
    »… und der Totengräber wird dereinst ebenfalls Gottes Zorn zu spüren bekommen«, versprach der Mönch mit drohend erhobenem Zeigefinger, obwohl er nicht wusste, ob dieses Versprechen je eingehalten werden konnte. Dann verkündete er, dass der Schmied Baptist Vögel und dessen Sohn Baltus von Immenstädter Soldaten abgeholt worden waren, damit sie gleich nach den Feiertagen von einem externen Ausschuss bezüglich der Sache mit der bedauernswerten Frau, die man mitten auf der Straße gefunden hatte, vernommen werden könnten. Die treffenderen Bezeichnungen ›geschändet‹ und ›ermordet‹ mochte er im Hause Gottes nicht aussprechen.
    Da mittlerweile allen klar war,

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