Der Peststurm
rothenfelsischen Gebiet wenigstens das Gute, dass man hier schon an vielen Orten Erfahrung mit der Pest machen konnte und … «
»Was soll daran gut sein?«, unterbrach Fabio, der über seine Kühnheit, den hohen Herrn zu unterbrechen, derart erschrocken war, dass er reumütig den Kopf senkte.
»Immerhin wissen wir dadurch, dass diese Krankheit ansteckend, also übertragbar ist! In weiten Teilen des Landes ist dies immer noch völlig unbekannt, zumal beim einfachen Volk. Wir hingegen wissen sogar, durch was und wie man sich anstecken kann. Wir müssen unbedingt versuchen, die Bevölkerung darüber aufzuklären«, antwortete sein derzeitiger Dienstherr.
»Ein sinnloses Unterfangen«, konstatierte Ruland Berging, der seine Mitmenschen schon immer für dümmer hielt, als sie waren, in diesem Punkt aber recht hatte.
Der Kastellan nickte dennoch zustimmend, da er befürchtete, dass es auch aus seiner Sicht sehr schwierig sein würde, die Bevölkerung aufzuklären und dadurch zu beruhigen. Er wusste noch allzu gut, wie chaotisch die Staufner sich am Ende des vergangenen Jahres verhalten hatten, als einer nach dem anderen durch die Mörderhand des ruchlosen Arztes Heinrich Schwartz hatte sterben müssen, und sie geglaubt hatten, dass es die Pest gewesen war. Er legte seine Aufzeichnungen auf den Tisch zurück und vergrub Nase, Mund und Kinn in seinen gefalteten Händen.
Während sich die anderen das Gehörte durch den Kopf gehen ließen, überlegte er, was er als Nächstes sagen wollte. »Das ist schon ungeheuerlich. In der Hoffnung, dass ihr diese Nachricht inzwischen verdauen konntet, möchte ich mit eurer Erlaubnis zum Hauptpunkt kommen.«
»Ja, natürlich«, forderte der Propst seinen Freund auf, weiterzusprechen.
»Nach meiner Einschätzung haben wir zwei Möglichkeiten. Wir schnüren noch heute unsere Bündel und fliehen so schnell und so weit, wie uns unsere Füße tragen … «
»Fuge cito et longe« , murmelte der Propst kaum hörbar, während der Kastellan den Kanoniker und die Schwester ansah.
»Oder wir übernehmen Verantwortung für unsere Mitmenschen und setzen alles daran, dass sich die Seuche möglichst wenig ausbreiten kann und dass denjenigen, die infiziert worden sind, Linderung und vielleicht sogar Heilung zuteil wird.«
Mit wechselnden Blicken zum Propst, zum Totengräber und zu Fabio fuhr er fort: »Und dass die Verstorbenen mit Gottes Beistand schnellstens bestattet werden, damit eine zusätzliche Ansteckungsgefahr verhindert wird. Dies muss unser oberstes Gebot sein! … Das heißt, wir müssen uns die Arbeit einteilen.«
Dass sich der Kastellan mit dieser Aussage bereits für Option zwei entschieden hatte, fiel niemandem auf. Gerade so, als wenn der zweite Vorschlag längst von allen Anwesenden sanktioniert worden wäre, fuhr er fort: »Ehrwürdige Schwester: Ihr richtet zusammen mit dem Kanonikus das Spital her und kümmert Euch – so gut es eben geht – um die Kranken. Ist dies möglich?«
Die zwar kurz erschrockene, offensichtlich aber mutige und entscheidungsfreudige Nonne zögerte keinen Wimpernschlag lang, bevor sie antwortete: »Ja! Aufgrund unseres letzten Gespräches weiß ich schon einiges über ihn und habe nichts dagegen, mit ihm zusammenzuarbeiten, … sofern er eine Frau als Vorgesetzte akzeptiert. Außerdem habe ich meinem Mutterhaus bereits mitgeteilt, dass ich nicht nach Dillingen zurückkehren, sondern nach Staufen gehen werde. Ich muss nur noch einmal ins Siechenhaus zurück, um diese karitative Institution ordentlich zu übergeben und meine Sachen zu packen.«
Ohne das Einverständnis des jungen Priesters oder seines Dienstherrn abzuwarten, sah der Kastellan mit zusammengekniffenen Augen den Totengräber an: »Und Ihr werdet zusammen mit Fabio diejenigen, denen nicht mehr zu helfen ist, abholen, auf den Pestfriedhof nach Weißach verbringen und dort ordentlich bestatten! Es darf nicht schon wieder sein, dass sich die Toten in der St. Martins-Kapelle und auf dem Kirchhof stapeln. Als dies im letzten Herbst der Fall war, habe ich von Oberamtmann Speen eine Rüge bekommen, weil wir die Toten nicht gleich nach Weißach gebracht haben und … «
»Auch wenn er dadurch einmal mehr geglaubt hat, sich in kirchliche Angelegenheiten einmischen zu müssen, hat er recht daran getan«, unterbrach ihn der Propst, der es ansonsten gar nicht mochte, wenn sich die Weltlichkeit um Kirchenbelange kümmerte, … und mochte sie noch so hochgestellt sein.
»Unser Regent hat schon
Weitere Kostenlose Bücher