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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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und Schränken hastig und ungestört nach Geld, Schmuck und anderen kleinen Wertgegenständen stöbern zu können.
    Bevor er die Wohnung zu durchsuchen begann, tröpfelte er noch schnell die stets bei sich führende Tinktur auf ein Tuch, das er sich um Mund und Nase band. Dieses stinkende Mittelchen hatte ihm die ›Herbaria‹, die er seinerzeit aufgesucht hatte, weil beim Kampf mit dem Blaufärbersohn Otward Opser sein linkes Auge verletzt worden war, zubereitet. »Das hilft auch gegen Pest und Cholera«, hatte ihm die alte Hexe versprochen, bevor sie sich 15 Kreuzer dafür hatte geben lassen. Und weil dieses ›Allheilmittel‹ so teuer gewesen war, glaubte Ruland Berging, der ansonsten nichts und niemandem Glauben schenkte, daran.
    Danach streifte er sich die stinkenden Handschuhe, die er seit der Aufnahme seiner Arbeit als Leichenbestatter immer dabeihatte und nachtsüber in Essig badete, über. Als er die Bechtelers in der Wohnung liegen sah, erkannte er sofort, dass hier nichts mehr zu tun war – außer abzukassieren. Da zweifellos alle tot waren, musste er sich nicht lange mit ihnen befassen und Gefahr laufen, sich zu infizieren. So konnte er die Zeit nutzen, um die ganze Wohnung zu durchwühlen, wobei er nicht davor zurückschreckte, auch unter den Matratzen, auf denen die toten Eltern lagen, nachzusehen – selbstverständlich, ohne die bedauernswerten Opfer zu berühren. Während der Totengräber alle Räume auf den Kopf stellte, gingen der Kastellan und der Propst zur danebenliegenden kleinen Wohnung der Doblers, um nachzusehen, ob sich wenigstens dort noch etwas rührte. Aber, wie sie durch die Fenster erkennen konnten: die Wohnung war leer.
    »Oh, mein Gott! Otto?«, entfuhr es dem Kastellan, der sofort zum Eingang des Bauernhofes zurückeilte und nach dem Totengräber rief: »Was macht Ihr so lange da drin? Was ist los?«
    Gleich darauf kam der Leichenfledderer, mit gesenktem Haupt … und vollen Taschen, durch die Haustür heraus. Mit glaubhaft betrübter Miene berichtete er, dass alle Mitglieder der Familie Bechteler tot waren.
    »Alle?«
    Der Schwarzgewandete presste die Lippen zusammen und nickte still.
    »Und die Doblers?«
    Die Geste des Totengräbers gab die Antwort.
    »Ich habe es befürchtet. Es muss schnell gegangen sein«, konstatierte der Kastellan, während der Propst leise ein Gebet sprach.
    Wie schnell es tatsächlich gegangen war, konnten sie nicht im Entferntesten erahnen.
    Die gesamte Familie Bechteler sowie Resi und Otto Dobler waren nur eine Woche nach dem Tod des Schäfers innerhalb von zwei Tagen dem Pesttod erlegen. Gleich zu Beginn hatte es den Bauern selbst getroffen – vermutlich, weil er den ersten Kontakt zum Schäfer gehabt hatte. Nur vier Stunden später waren in Folge drei Kinder dahingeschieden, denen die Doblerin tags darauf im Namen des Herrn gefolgt war, bevor wieder zwei Kinder sterben sollten. Daraufhin war die Bäuerin, mit einem schon toten Kind im Arm, gestorben, innerhalb einer Stunde gefolgt vom letzten der sieben Kinder. Ganz am Schluss war Otto heimgegangen, der treue Knecht und unvergessene Freund des Kastellans, der zusammen mit seiner Mutter den Bechtelers hatte helfen wollen. Was sich während dieser Zeit in diesem Haus abgespielt hatte, musste wohl grauenvoll gewesen sein.
    »Warum habe ich mich nicht mehr um Otto gekümmert und ihn öfter besucht?«, schalt sich der Kastellan laut, kam aber zu dem Schluss, dass dies auch nichts geändert haben würde.

Kapitel 12
     
    Noch am selben Tag hatte es sich herumgesprochen , dass die Bechtelers und die Doblers der Pestilenz erlegen waren. Seither war den Staufnern das Lachen gänzlich vergangen. Selbst Hemmo Grob verkniff sich seine sonst üblichen, meist unpassenden, Witze. Sie alle hatten schnell begriffen, dass es sich dieses Mal um die echte Pest handelte und sie sich in allerhöchster Lebensgefahr befanden. So war im Dorf nicht nur diese Seuche mit der wie üblich lähmenden Lethargie, sondern daneben auch hektische Betriebsamkeit ausgebrochen.
    Die Szenerie glich derjenigen vom vergangenen Herbst, als die Staufner geglaubt hatten, sich vor der vermeintlichen Pest schützen zu können, indem sie ihre Behausungen ausgeräuchert, die Fenster zugenagelt und Lebensmittel gehamstert hatten, um ihre Wohnungen so lange nicht mehr verlassen zu müssen, bis der Spuk vorüber war.
    Doch bei ihren diesbezüglichen Überlegungen machten sie dieses Mal einen folgenschweren Fehler: Da nicht nur die Kinder wussten,

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