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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Konvents blieb. Also hatte sie sich die Sache in Ruhe überlegen wollen und deswegen etwas Zeit erbeten, die jetzt abgelaufen war.
    Da die Nonne erst noch einiges abzuwickeln hatte, mussten sich der Ortsvorsteher und der Propst in Geduld üben, was ihnen insofern entgegenkam, da sie dadurch Zeit hatten, auch andere Personen zu diesem Gespräch einzuladen.
    Jetzt saßen sie mit Schwester Bonifatia, dem Kanoniker Martius Nordheim und Fabio in der Schlossbibliothek zusammen.
    Sie warteten nur noch auf den Totengräber, um mit dem Disput beginnen zu können. Der war zwar inzwischen ebenfalls auf dem Schlossgelände eingetroffen, ließ sich aber auf seinem Weg über den Hof in Richtung Herrschaftsgebäude Zeit, weil er sah, dass die Magd Rosalinde gerade durch ein kleines Türchen in die außerhalb der Mauerumfriedung liegenden Gartenanlage ging, um wohl irgendwelche Kräuter zu holen. Er war neugierig geworden. Diese versteckt liegende und von außen nicht sichtbare Maueröffnung interessierte den Totengräber, weil er darauf spekulierte, eventuell über den dahinter liegenden Wurzgarten durch dieses Türchen in den Schlosshof eindringen zu können, um sich dort den Söhnen des Kastellans nähern zu können. Er wusste zwar noch nicht, wann und wie dies geschehen sollte. Dafür wusste er umso besser, dass dies ein äußerst gefährliches Unterfangen mit hohem Risiko sein würde, das er – wenn irgend möglich – vermeiden musste. Außerdem hatte er noch keinen Plan, wie er von außen in den Wurzgarten kommen konnte. Er blickte sich unauffällig nach allen Seiten um und wurde gewahr, dass sich Siegbert gerade auf eine Inspektionsrunde zur Nordmauer machte, nachdem er ihn auf Geheiß des Kastellans hereingelassen und das Türchen im großen Haupttor hinter ihm geschlossen hatte. Somit konnte der Wachhabende den Totengräber nicht sehen, als dieser – die Hände locker auf dem Rücken, unauffällig vor sich hin pfeifend – zu dem Gartentürchen schlenderte. Zufrieden stellte Ruland Berging fest, dass die Öffnung, durch die ein gestandener Mann nur gebeugt hindurchkam, nicht mit einer festen Holztür, sondern nur mit einem fast filigran geschmiedeten Tor, das zudem in lottrigem Zustand zu sein schien, verschlossen werden konnte. Als Rosalinde wieder in den Schlosshof zurückging, um den im Schlossbrunnen zuvor bereits gefüllten Kübel mitzunehmen, sah der Totengräber, dass sie das Türschloss nicht verriegelte, sondern das verzierte Schmiedeeisen, das eher einem herrschaftlichen Grabkreuz als einem Gartentürchen glich, lediglich zuschlug, damit der Riegel in die dafür vorgesehene Halterung krachen konnte.
    Diese Eisentür wird nicht abgeschlossen und kann möglicherweise sogar über die Südmauer von außen erreicht werden, ohne dass man gesehen wird, freute er sich, während er seine Schritte hastig zum Haupthaus lenkte, um nicht allzu spät zur anberaumten Besprechung zu kommen.
     
    »Na endlich! Es wurde auch höchste Zeit«, schnauzte ihn der Kastellan, der den Totengräber nach wie vor nicht mochte und in seinem Innersten immer noch vermutete, dass er seinen Söhnen etwas Böses wolle, an.
    »Entschuldigt! Aber ich hatte noch zu tun!« Als er dies sagte, grinste er finster in sich hinein.
    »Schon gut. Nehmt Platz!« Der Hausherr stand auf und griff sich das vor ihm liegende Stück Papier, das ihm Fabio aus Immenstadt mitgebracht hatte.
    »Bevor wir mit dem eigentlichen Thema beginnen, bedanke ich mich bei Fabio für seinen Mut, nach Immenstadt zu gehen, und bei euch für euer aller Kommen. Ich muss euch leider die betrübliche Mitteilung machen, dass es unser hochverehrter Graf und seine Gemahlin vorgezogen haben, wieder einmal übereilt nach Konstanz zurückzukehren, nachdem sie davon erfahren hatten, dass in Scheidegg die Pest grassiert. Wie diese Hiobsbotschaft so schnell nach Immenstadt gelangen konnte, bevor ich es überhaupt gewusst habe, verstehe ich nicht. Wenn ich Speens Zeilen richtig deute, hat unser gnädiger Herr zum Zeitpunkt seiner Abreise noch nichts von unserem toten Schäfer gewusst. Die genauen zeitlichen Einordnungen werde ich noch zu recherchieren wissen, aber dies tut im Moment sowieso nichts zur Sache.«
    Er blickte in die Runde, um zu sehen, ob jemand etwas zu sagen hatte. Nachdem niemand das Wort ergriff, kam er unumwunden zum eigentlichen Thema der Zusammenkunft: »Wie dem auch sei: Ich wollte euch nur mit dem Hinweis auf absolute Diskretion – die übrigens für alles, was heute

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