Der Pfad der Dolche
lenken, wenn man erschöpft war, war überhaupt nicht so wie sonst, aber dies war das Schlimmste, was sie in dieser Hinsicht je erlebt hatte. Zumindest erschien der vertraute senkrechte Schlitz, wie er sein sollte, und verbreiterte sich direkt an der Zisterne entlang zu einer Öffnung. Eine Öffnung, die nicht größer war als diejenige, die Aviendha gestaltet hatte, aber Elayne war dankbar, daß sie zumindest ausreichend groß war, daß ein Pferd hindurchgelangen konnte. Sie war nicht sicher gewesen, daß ihr dies gelingen würde. Einige Frauen der Schwesternschaft keuchten beim Anblick einer Hochlandwiese, die sich plötzlich zwischen ihnen und der vertrauten grauen Masse der Zisterne erstreckte.
»Du hättest es mich versuchen lassen sollen«, sagte Nynaeve leise, aber auch tadelnd. »Du hättest beinahe alles durcheinandergebracht.«
Aviendha warf Nynaeve einen eindeutigen Blick zu, der Elayne fast veranlaßte, ihren Arm zu ergreifen. Je länger sie Nächstschwestern waren, desto häufiger dachte sie anscheinend, sie müßte Elaynes Ehre verteidigen. Wenn sie Erstschwestern wurden, mußte Elayne dafür sorgen, daß sie sich von Nynaeve und Birgitte fernhielt!
»Es ist vollbracht, Nynaeve«, sagte sie rasch. »Das allein zählt.« Nynaeve warf ihr ebenfalls einen eindeutigen Blick zu und murmelte etwas darüber, daß der Tag schwierig sei, als wäre Elayne diejenige, die ihre schnippische Seite zeigte.
Birgitte führte ihr Pferd als erste durch das Wegetor, ihren Bogen in der anderen Hand und Lan schamlos anlächelnd. Elayne konnte ihren Eifer spüren, eine Spur Zufriedenheit darüber, daß vielleicht dieses Mal sie und nicht Lan die Führung innehatte - zwischen Behütern bestand stets eine gewisse Rivalität -, sowie eine Spur Wachsamkeit. Aber nur wenig. Elayne kannte diese Wiese gut. Gareth Bryne hatte ihr nicht weit davon das Reiten beigebracht. Ungefähr fünf Meilen jenseits dieser ersten spärlich mit Bäumen bewachsenen Hügel lag das Gutshaus einer der Ländereien ihrer Mutter. Eine ihrer eigenen Ländereien, woran sie sich noch gewöhnen mußte. Die sieben Familien, die sich um das Haus und das Land kümmerten, waren in jeder Richtung einen halben Tagesritt weit die einzigen Menschen.
Elayne hatte dieses Ziel erwählt, weil sie Caemlyn von hier aus in zwei Wochen erreichen konnten. Zudem war das Gut so abgelegen, daß sie Caemlyn vielleicht betreten konnte, bevor jemand wußte, daß sie sich in Andor befand. Das konnte sich als überaus notwendige Vorsichtsmaßnahme erweisen. Rivalen um die Rosenkrone waren in Andors Geschichte zu verschiedenen Zeiten als ›Gäste‹ festgehalten worden, bis sie ihre Ansprüche aufgaben. Ihre Mutter hatte selbst zwei solche Rivalen festgehalten, bis sie den Thron einnahm. Mit etwas Glück könnte Elayne eine solide Basis geschaffen haben, wenn Egwene und die anderen eintrafen.
Lan führte Mandarb direkt hinter Birgittes braunem Wallach her, und Nynaeve schwankte, als wollte sie dem schwarzen Schlachtroß hinterhereilen, riß sich aber dann mit unbewegtem Blick, der Elayne zu schweigen gebot, zusammen. Sie machte sich zornig an ihren Zügeln zu schaffen, sichtlich bemüht, irgendwo anders hinzuschauen als durch das Wegetor und hinter Lan her. Ihre Lippen bewegten sich. Kurz darauf erkannte Elayne, daß sie zählte.
»Nynaeve«, sagte sie leise, »wir haben wirklich keine Zeit für...«
»Geht weiter!« rief Alise von hinten, und ihr Händeklatschen unterstrich ihre Worte hörbar. »Kein Drängen oder Schieben jetzt, aber auch kein Trödeln!
Geht weiter!.«
Nynaeve wandte heftig den Kopf, und quälende Unentschlossenheit prägte ihre Züge. Sie berührte aus einem unbestimmten Grund ihren breiten Hut, auf dem einige Federn gebrochen waren und herabhingen, bevor sie die Hand wieder fortnahm. »Oh, dieser verdammte alte...!« grollte sie, aber ihre restlichen Worte verloren sich, während sie ihre Stute durch das Wegetor zog. Elayne schnaubte. Und Nynaeve besaß die Frechheit, sich bei jedermann über ihrer aller Ausdrucksweise auszulassen! Sie wünschte jedoch, sie hätte die restlichen Worte auch hören können. Den Anfang kannte sie bereits.
Alise drängte sie weiterhin, aber nach dem ersten Mal schien es nicht mehr nötig zu sein. Selbst die Windsucherinnen beeilten sich, während sie über die Schultern besorgt den Himmel betrachteten, und sogar Renaile, die etwas über Alise murmelte, was Elayne nur unbewußt registrierte. Obwohl es vergleichsweise milde
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