Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
waren von ihm abhängig gewesen. Das letzte Mal war er in jener
Nacht allein gewesen, als er im Großsturm draußen angebunden worden war.
Nein, dachte er. Auch in dieser Nacht bin ich nicht allein gewesen. Syl war bei mir. Er senkte den Kopf und ging an kleinen Rissen im Boden vorbei, die sich links von ihm befanden. Diese Risse verbreiterten sich in östlicher Richtung und wurden schließlich zu jenen Klüften, über die sie die Brücken legen mussten.
Was war nur mit ihm los? Er war doch nicht einer Sinnestäuschung erlegen. Teft und Lopen hatten es auch gesehen. Teft hatte es offenbar sogar erwartet.
Kaladin hätte während jenes Großsturms, den er draußen angebunden verbracht hatte, eigentlich sterben sollen. Dennoch war er schon kurz danach wieder auf den Beinen gewesen. Seine Rippen sollten noch empfindlich sein, aber sie schmerzten schon seit Wochen nicht mehr. Seine Kugeln und die der anderen Brückenmänner, die sich in seiner Nähe befunden hatten, verloren regelmäßig ihr Sturmlicht.
War es der Großsturm gewesen, der ihn so verändert hatte? Nein, er hatte leere Kugeln auch schon vorgefunden, bevor er zum Sterben nach draußen gehängt worden war. Und Syl … sie hatte zugegeben, an einigem vom dem schuld zu sein, was hier vorging. Und es ging ja schon seit einer ganzen Weile vor.
Er blieb neben einem Felsvorsprung stehen, lehnte sich dagegen – und das Gras zog sich sofort zurück. Er blickte nach Osten, über die Zerbrochene Ebene. Seine Heimat. Sein Grab. Das Leben hier zerriss ihn. Die Brückenmänner schauten zu ihm auf und betrachteten ihn als ihren Führer, ja als ihren Retter. Aber er hatte Risse – solche Risse wie der Fels hier am Rande der Ebene.
Und diese Risse wurden beständig größer. Er gab sich selbst immer neue Versprechen, wie ein Langstreckenläufer, der keine Kraft mehr hat. Nur noch ein bisschen weiter. Lauf nur noch
bis zum nächsten Hügel. Dann kannst du aufgeben. Winzige Spalten, Risse im Stein.
Es ist richtig, dass ich hergekommen bin, dachte er. Wir gehören zusammen, du und ich. Ich bin wie du. Wodurch war die Ebene überhaupt zerbrochen? Durch den Aufprall eines gewaltigen Gewichts?
Eine Melodie setzte in der Ferne ein und schwang sich über die Ebene. Kaladin zuckte unter dem Klang zusammen. Die Musik kam so unerwartet, war so fehl am Platze, dass sie trotz ihrer Sanftheit beunruhigend wirkte.
Die Klänge drangen von der Ebene herbei. Zögernd zwar, aber unfähig, Widerstand zu leisten, ging er voran. Nach Osten, auf die flachen, vom Wind gepeitschten Felsen zu. Die Musik wurde lauter, aber sie wirkte noch immer zart und geheimnisvoll. Es musste eine Flöte sein, doch ihre Töne schienen ihm tiefer als die jeder Flöte, die er bisher gehört hatte.
Je näher Kaladin der Musik kam, desto deutlicher nahm er den Geruch von Rauch wahr. Da draußen brannte ein Licht. Es war ein kleines Lagerfeuer.
Kaladin ging bis zum Rand dieser winzigen Halbinsel, wo die Risse zu einer Kluft wurden, die sich in der Dunkelheit verlor. Auf der Spitze dieser Halbinsel, an drei Seiten umrundet von der Kluft, traf Kaladin einen Mann an, der auf einem Felsbrocken saß und die schwarze Uniform eines Hellauges trug. Ein kleines Feuer aus Steinknospenschalen brannte vor ihm. Das Haar des Mannes war kurz und schwarz, sein Gesicht kantig. An seiner Hüfte hing ein dünnes Schwert in einer Scheide.
Die Augen des Mannes waren von einem blassen Blau. Kaladin hatte noch nie davon gehört, dass ein männliches Hellauge Flöte spielte. Erachteten sie die Musik nicht als eine weibliche Beschäftigung? Helläugige Männer sangen, aber sie spielten keine Instrumente, es sei denn, es handelte sich um Feuerer.
Dieser Mann war außerordentlich begabt. Die seltsame Melodie, die er da spielte, klang fremdartig, beinahe unwirklich, wie etwas aus einer anderen Zeit und einem anderen Land. Sie hallte die Kluft entlang und wurde zurückgeworfen; beinahe machte es den Eindruck, als spielte der Mann ein Duett mit sich selbst.
Kaladin blieb nicht weit von ihm entfernt stehen und erkannte, dass das Letzte, was er jetzt wollte, eine Unterhaltung mit einem Hellherrn war, vor allem wenn dieser so exzentrisch war, sich in Schwarz zu kleiden und auf die Zerbrochene Ebene hinauszuwandern, um Flöte zu spielen. Kaladin drehte sich um und wollte wieder gehen.
Die Musik verstummte. Kaladin hielt inne.
»Ich befürchte immer, ich könnte vergessen, wie man sie spielen muss«, sagte da eine sanfte Stimme hinter
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