Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Außerdem würden zwei oder drei zusätzliche Männer keinen Unterschied machen, falls wir auf einen stoßen sollten.«
Teft zog hinter seinem kurzen, ergrauenden Bart eine Grimasse, machte aber keine weiteren Einwände. Kaladin ging hinter Syl her. In seinem Beutel befand sich der Rest der Kugeln, die sie hier unten bei den Leichen entdeckt hatten. Sie hatten es sich inzwischen angewöhnt, immer ein paar für sich zu behalten und von unten an die Brücken zu schießen. Mit Syls Hilfe fanden sie inzwischen wesentlich mehr als früher.
In seinem Beutel befand sich ein kleines Vermögen. Dieses Sturmlicht würde ihm heute sehr nützlich sein, hoffte er.
Er holte eine Saphirmark heraus, damit sie ihm Licht spendete, und umrundete die Tümpel voller Knochen. Aus einer Pfütze ragte ein Schädel hervor, auf dem welliges grünes Moos wuchs – wie Haar. Lebenssprengsel hüpften auf ihm herum. Vielleicht hätte es unheimlich sein sollen, allein in diesen dunklen Schlünden umherzuwandern, aber das machte Kaladin nichts aus. Dies hier war ein heiliger Ort, eine Gruft der einfachen Leute, die Begräbnisstätte der Brückenmänner und Speermänner, die den Edikten der Hellaugen gemäß gestorben waren und ihr Blut an den zerklüfteten Wänden vergossen hatten. Es war weniger ein unheimlicher, sondern viel eher ein geheiligter Ort.
Er war tatsächlich froh, allein in der Stille und bei den Überresten der Gestorbenen zu sein. Diesen Männern waren die Streitereien jener, die mit helleren Augen als sie geboren worden waren, gleichgültig gewesen. Diese Männer hatten sich um ihre Familien – oder wenigstens um ihre Kugelbeutel – gekümmert. Wie viele von ihnen waren in diesem fremden Land gefangen, auf dieser endlosen Ebene? Und waren zu arm, um nach Alethkar entkommen zu können? Hunderte starben jede Woche und spendeten für jene, die schon reich waren, Edelsteine. Und sie halfen dabei, Rache für einen längst verstorbenen König zu üben.
Kaladin kam an einem weiteren Schädel vorbei, dem der Unterkiefer fehlte, während die Schädeldecke durch einen Axthieb gespalten war. Die Knochen schienen Kaladin neugierig zu beobachten; das blaue Sturmlicht in seiner Hand warf einen unheimlichen Schimmer auf den unebenen Boden und die Wände.
Die Devotarien lehrten, dass im Tode die tapfersten Menschen, die ihre Berufung am besten erfüllt hatten, wieder auferstanden und dabei halfen, den Himmel zurückzuerobern.
Jeder Mensch würde genau das tun, was er auch im Leben getan hatte. Speermänner würden kämpfen, Bauern würden auf geistigen Gehöften arbeiten, Hellaugen würden anführen. Die Feuerer betonten ausdrücklich, dass die Vortrefflichkeit in der eigenen Berufung eine große Macht mit sich brachte. Ein Bauer wäre in der Lage, mit einer einzigen Handbewegung ganze Felder spirituellen Getreides hervorzubringen. Ein Speermann würde ein großer Krieger sein, mit seinem Schild Donner und mit seinem Speer Blitze erzeugen.
Aber was war mit den Brückenmännern? Würde der Allmächtige von all diesen Gefallenen verlangen, sie mögen sich erheben und mit ihrer Schinderei fortfahren? Würden Dunni und die anderen auch im Jenseits Brücken schleppen? Kein Feuerer kam zu ihnen, um ihre Fähigkeiten auf die Probe zu stellen oder ihnen die Erhebung zu versprechen. Vielleicht wurden Brückenmänner im Krieg um den Himmel nicht gebraucht. Es gelangten ja ohnehin nur die Fähigsten dorthin. Die anderen schliefen einfach, bis die Stillen Hallen zurückerobert waren.
Glaube ich etwa wieder? Er stieg über einen Felsblock, der sich in der Kluft verkeilt hatte. Einfach so? Er war sich nicht sicher. Aber es spielte auch keine Rolle. Er würde für seine Brückenmänner alles tun, was er konnte. Wenn darin eine Berufung lag, dann war es eben so.
Falls ihm mit seiner Mannschaft die Flucht gelingen sollte, würde Sadeas sie natürlich durch andere Männer ersetzen, die dann an ihrer Stelle starben.
Ich darf mir nur Gedanken über das machen, was ich tun kann, sagte er zu sich. Für diese anderen Brückenmänner trage ich keine Verantwortung.
Teft redete über die Strahlenden, über Ideale und Legenden. Warum konnten die Menschen nicht wirklich so sein? Warum mussten sie immer zu Träumen und Erfindungen Zuflucht nehmen?
Wenn du fliehst … lässt du alle anderen Brückenmänner zurück, die dann abgeschlachtet werden, flüsterte eine Stimme in ihm. Es muss doch etwas geben, das du auch für sie tun kannst.
Nein!, verteidigte er sich.
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