Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
war ganz unmöglich. Dann hätte er völlig unglaubwürdig geklungen.
Aber vielleicht …
»Was sollte denn deiner Meinung nach mit diesen Wogenbindern geschehen?«, fragte Dalinar vorsichtig.
»Ich weiß nicht, ob wir sie zu irgendetwas zwingen können. « Ihre Schritte hallten durch den leeren Raum. Gab es hier denn weder Wächter noch Diener? »Ihre Macht … nun, Alakavisch beweist den Reiz, den die Wogenbinder auf das gewöhnliche Volk ausüben. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, sie zu ermuntern …« Der Mann blieb stehen und wandte sich zu Dalinar um. »Sie müssen besser werden, alter Freund. Das müssen wir alle. Die Verantwortung, die wir aufgebürdet bekommen haben – sei es durch die Krone oder durch das Nahel-Band –, erfordert, dass wir besser werden.«
Er schien etwas von Dalinar zu erwarten. Aber was mochte das sein?
»Ich erkenne den Widerspruch in deinem Gesicht«, sagte der andere Mann. »Es ist in Ordnung, Karm. Ich weiß, dass meine Gedanken über diese Sache unkonventionell sind. Vielleicht habt ihr anderen Recht, vielleicht sind unsere Fähigkeiten der Beweis einer göttlichen Erwählung. Aber wenn dies stimmt, dann sollten wir doch noch mehr auf unsere Handlungen achtgeben, oder?«
Dalinar runzelte die Stirn. Das klang in seinen Ohren vertraut. Der herrschfreudige Mann seufzte und ging zum Balkongeländer. Dalinar trat ebenfalls nach draußen und stellte sich neben ihn. Jetzt endlich konnte er auf die Landschaft unter sich blicken.
Er sah Tausende Leichen.
Dalinar keuchte auf. Die Toten füllten die Straßen der Stadt – jener Stadt, die Dalinar vage bekannt vorkam. Kholinar, dachte er. Meine Heimat. Er stand zusammen mit dem anderen Mann auf der Spitze eines nur drei Stockwerke hohen Turmes. Es war so etwas wie eine Festung, die aus Stein errichtet
war. Sie schien dort zu stehen, wo sich eines fernen Tages der Palast erheben würde.
Die Stadt war ganz unverkennbar, und zwar wegen der zerklüfteten Felsformationen, die wie gewaltige Flossen in die Luft ragten. Sie wurden die Windklingen genannt. Aber sie waren nicht so verwittert, wie er sie in Erinnerung hatte, und die Stadt um sie herum erschien ganz anders. Sie bestand aus massiven Steingebäuden, von denen viele eingestürzt waren. Die Zerstörungen erstreckten sich weit und säumten die primitiven Straßen. War die Stadt von einem Erbeben heimgesucht worden?
Nein, diese Menschen waren in einer Schlacht gefallen. Dalinar roch den Gestank von Blut, Eingeweiden und Rauch. Die Leichen lagen weit verstreut; viele befanden sich vor der niedrigen Mauer, die die Festung umgab. Unter den Leichen lagen Steine von seltsamen Umrissen. Sie waren gemeißelt wie …
Beim Blute meiner Väter, dachte Dalinar, ergriff das Steingeländer und beugte sich vor. Das sind keine Steine. Das sind Wesen. Massige Wesen, fünf- oder sechsmal so groß wie ein Mensch, mit matter und grauer Haut … wie aus Granit. Sie hatten lange Glieder und skelettartige Körper; die Vorderbeine – oder waren es Arme? – sprossen aus breiten Schultern. Die Gesichter waren schmal und dürr. Wie Pfeile.
»Was ist hier geschehen?«, fragte Dalinar unwillkürlich. »Das ist ja schrecklich!«
»Das frage ich mich auch jedes Mal. Wie konnten wir das zulassen? Die Wüstwerdungen tragen ihren Namen zu Recht. Ich habe die neuen Zahlen gehört. Elf Jahre Krieg, und neun von zehn Menschen, über die ich einmal geherrscht habe, sind tot. Gibt es überhaupt noch Reiche, über die wir herrschen können? Ich bin sicher, dass auch Sur nicht mehr existiert. Und selbst Tarma und Eiliz werden höchstwahrscheinlich nicht überleben. Zu viele aus ihrem Volk sind gefallen.«
Dalinar hatte noch nie zuvor von diesen Orten gehört.
Der Mann ballte die Faust und klopfte damit leise gegen das Geländer. In der Ferne waren Verbrennungsstationen errichtet worden; man hatte bereits damit begonnen, die Leichen einzuäschern. »Die anderen wollen Alakavisch dafür verantwortlich machen. Wenn er uns vor der Wüstwerdung nicht in den Krieg geführt hätte, dann wären wir vielleicht nicht so schrecklich unterlegen gewesen. Aber Alakavisch war nur ein Symptom für eine viel größere Krankheit. Was werden die Herolde vorfinden, wenn sie das nächste Mal zurückkehren? Ein Volk, das sie schon wieder vergessen hat? Eine Welt, die von Krieg und Streit zerrissen ist? Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann haben wir die Niederlage vielleicht sogar verdient. «
Dalinar lief es kalt den
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