Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Parschendi schenkten Kaladin letzte hasserfüllte Blicke und machten eine seltsame Geste, indem sie die geballte Hand zum rechten Ohr führten und dann auf ihn zeigten, bevor sie sich zurückzogen.
Kaladin atmete endlich aus, und das Sturmlicht verließ ihn in Schüben. Er befand sich auf Messers Schneide, nahm gerade so viel Sturmlicht in sich auf, wie er zum Überleben
brauchte, aber gleichzeitig so wenig, dass die Soldaten es nicht sehen konnten.
Der Turm erhob sich vor ihm; es war eine Steinplatte, die nach Westen abfiel. Die Kluft war hier so breit, dass er schon befürchtet hatte, die Männer könnten die Brücke bei dem Versuch, sie anzulegen, in den Abgrund werfen. Auf der anderen Seite hatte Sadeas seine Armee halbkreisförmig aufgestellt und trieb die Parschendi weiter zurück, damit Dalinar genügend Platz für seine Soldaten vorfand.
Vielleicht diente diese Art von Angriff Dalinar dazu, sein makelloses Ansehen zu wahren. Er verursachte nicht den Tod der Brückenmänner. Zumindest nicht unmittelbar. Dabei war es gleichgültig, dass er auf dem Rücken der Männer stand, die für Sadeas’ Überquerung gestorben waren. Ihre Leichen waren seine wahre Brücke.
»Kaladin!«, rief eine Stimme hinter ihm.
Eilig drehte sich Kaladin herum. Einer seiner Männer war verwundet worden. Sturmverdammt!, dachte er und rannte zu Brücke Vier. Es pulste noch genug Sturmlicht in seinen Adern, sodass er die völlige Erschöpfung hinauszögern konnte. Er war sich seiner Sache zu sicher geworden. Sechs Brückenläufe ohne Verluste! Er hätte doch wissen müssen, dass es nicht so bleiben konnte. Also bahnte er sich einen Weg durch die Menge der Brückenmänner und fand Narb am Boden, der sich den Fuß hielt. Durch seine Finger quoll das rote Blut.
»Pfeil im Fuß«, sagte Narb mit zusammengebissenen Zähnen. »In den sturmverdammten Fuß! Wer wird schon am Fuß getroffen?«
»Kaladin!«, sagte Moasch drängend. Die Brückenmänner wichen auseinander, als Moasch Teft mit einem Pfeil in der Schulter herbeibrachte, der sich zwischen Brustpanzer und Armschiene gebohrt hatte.
»Sturmverdammt!«, sagte Kaladin und half Moasch dabei, Teft auf den Boden zu setzen. Der ältere Brückenmann wirkte
benommen. Der Pfeil hatte sich tief in den Muskel gegraben. »Jemand muss Narb einen Druckverband um den Fuß legen, bis ich ihn mir ansehen kann. Teft, hörst du mich?«
»Es tut mir leid, Junge«, murmelte Teft mit glasigen Augen. »Ich bin …«
»Du bist in Ordnung«, sagte Kaladin und nahm eilig einige Bandagen von Lopen entgegen, dann nickte er grimmig. Lopen erhitzte bereits ein Messer. »Wer sonst noch?«
»Alle anderen sind wohlauf«, sagte Drehy. »Teft hat versucht, seine Wunde zu verbergen. Er muss verletzt worden sein, als wir die Brücke rübergeschoben haben.«
Kaladin presste den Verband gegen die Wunde und bedeutete Lopen, er möge sich mit dem Erhitzen des Messers beeilen. »Ich will, dass unsere Späher wachsam bleiben. Sorgt dafür, dass die Parschendi nicht wieder einen Überfall wie vor ein paar Wochen versuchen! Wenn sie von diesem Plateau zu uns hinüberspringen und sich Brücke Vier vornehmen, sind wir alle tot.«
»Ist in Ordnung«, sagte Fels und beschattete sich die Augen. »Sadeas hat ein paar seiner Männer hier gelassen. Da wird kein Parschendi durchkommen.«
Das Messer war bereit, Kaladin hielt es zögernd in der Hand. Rauch stieg von der Klinge auf. Teft hatte zu viel Blut verloren; die Wunde konnte nicht vernäht werden. Aber wenn Kaladin sie ausbrannte, riskierte er, dass Teft schlimme Narben davontrug. Der alte Brückenmann konnte davon steif werden und seine Fähigkeit verlieren, mit dem Speer umzugehen.
Widerstrebend drückte Kaladin das Messer in die Wunde. Das Fleisch zischte auf, das Blut gerann zu schwarzen Klumpen. Sehnige, orangefarbene Schmerzsprengsel zuckten aus dem Boden. In einem Operationsraum konnte man Wunden vernähen, aber auf dem Feld war das hier oft die einzige Möglichkeit.
»Tut mir leid, Teft.« Er schüttelte den Kopf und arbeitete weiter.
Männer schrien auf. Pfeile trafen Holz und Fleisch; es klang, als würden in der Ferne Holzfäller ihre Äxte schwingen.
Dalinar wartete neben seinen Männern und sah Sadeas’ Soldaten beim Kämpfen zu. Er hätte uns besser sofort Platz geschaffen, dachte er. Allmählich hungere ich nach diesem Plateau.
Glücklicherweise fasste Sadeas rasch Fuß auf dem Turm und schickte eine flankierende Kompanie aus, die für Dalinar ein
Weitere Kostenlose Bücher
Die vierte Zeugin Online Lesen
von
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg