Der Pfad der Woelfin
.«
»Mach wenigstens die Lampe aus!«
»O nein! Ich will meinen Spaß haben, und dazu gehört, daß ich dich sehe!«
»Du hast die Wahl - entweder Licht aus, oder .«
Er fluchte. Dann erlosch der Schimmer, der die beiden aus der Dunkelheit gerissen hatte.
Ich sah nicht, was sie taten, aber ich hörte eigentümliche Geräusche zwischen dem Tosen des Sturms, der immer stärker wurde.
Ich lag oben auf dem Heuschober, stützte das Kinn in die Hände und schloß die Augen.
In Gedanken wünschte ich mich ans Meer.
Mit Vater.
Da wurde erneut die Scheunentür aufgerissen. Vom Lärm aufgeschreckt, sah ich hinab.
Im hellen Schein einer Laterne stürmte Lecock herein. Er schwang er eine Mistgabel und schrie: »Habe ich euch endlich erwischt! Unter meinem Dach Unzucht treiben ... das habe ich gern ...!«
Er fuchtelte drohend mit der Mistgabel, und ich sah, daß Bernadette mit bis zum Hals hochgeschobenem Kleid und Eugene mit heruntergelassener Hose übereinanderlagen.
Als der Bauer näherkam, sprang Eugene auf, zerrte die Hosen hoch und rannte an ihm vorbei aus der Scheune. Die Flüche Lecocks folgten ihm.
Als auch Bernadette ihre Kleidung ordnen und aufstehen wollte, erschreckte Lecock sie, indem er die Zacken der Mistgabel neben ihr in den festgestampften Boden der Scheune rammte.
Sie erstarrte. »Heh!« rief sie lahm. »Was -«
»Halt's Maul, wenn dir deine Arbeit lieb ist!« Mehr sagte er nicht. Dann hob er die Laterne und blies die Flamme darin aus.
Ich erwartete weitere Proteste und Gegenwehr von der Magd. Aber sie sagte kein einziges Wort. Und kurz darauf hörte ich den mickrigen Leuteschinder im Dunkeln stöhnen.
Nur ihn.
Von Bernadette war gar nichts zu hören, als gäbe es sie überhaupt nicht.
Nach einer Weile verstummte Lecocks Stöhnen, und das Scheunentor schlug. Zweimal kurz hintereinander, ohne daß noch einmal ein Licht aufgeflammt wäre.
Das Gewitter verzog sich ebenfalls, nur der Wind und der Regen nicht.
Tiefer als je zuvor kroch ich unters Heu und sehnte den neuen Tag herbei. Ich begann diesen Ort zu hassen, ohne recht zu wissen, warum.
Gleich als es hell wurde, stieg ich die Leiter hinunter.
Die Mistgabel steckte immer noch im Boden. Sonst deutete nichts mehr auf die Geschehnisse der Nacht hin.
Doch als ich ins Freie trat, herrschte draußen heller Aufruhr.
Lecock brüllte. Er stand auf dem Hof und hielt den abgerissenen, blutigen Kopf eines Schafes in der Hand.
Mir wurde schlecht.
Vater kam mir entgegen und sagte, daß während der stürmischen Nacht ein Tier in die Stallungen eingebrochen sei und dort ein fürchterliches Massaker angerichtet hätte.
Offenbar hatte niemand die Schreie des Viehs gehört - und wenn doch, mochte er geglaubt haben, das Gewitter trüge Schuld daran.
»Ich bin ruiniert!« schrie Lecock und sein anklagender Blick richtete sich auf Vater, als hätte er in ihm den Schuldigen seines Ruins ausgemacht. »Du und dein Balg - ihr habt Unglück über mein Haus gebracht! Verschwindet! Verschwindet, bevor ich mich vergesse!«
Vater drehte sich, leicht geduckt, zu ihm um. Er nickte. »Ihr schuldet mir noch den Lohn für all die Tage, die ich hier bin. Gebt ihn mir, und wir gehen.«
Es sah aus, als füllte sich ein durchsichtiges Gefäß mit Blut, als Le-cocks schiefes Gesicht sich rot einfärbte. Sein flackernder Blick irrte von Bernadette zu Eugene, die stumm neben dem Wortgewaltigen standen und betreten zu Boden schauten. »Habt ihr diesen Wahnsinnigen gehört? Er stellt Forderungen! Er bringt mich an den Bettelstab und verlangt auch noch eine Belohnung dafür ...!«
Vater hob mich auf den Arm und trug mich zum Haus.
»Wo willst du hin?« Die Stimme des Bauern überschlug sich.
Während Vater ihm den Rücken kehrte, konnte ich ihn weiter sehen.
»Bleib stehen, du dämlicher Hund!«
Ich schluckte, aber Vater ging unbeirrbar weiter, trat ins Haus und stopfte sich den Sack, mit dem wir gekommen waren, voll mit Brot und Wurst und einem verkorkten Krug, über dessen Inhalt ich nichts wußte.
Er hatte mich auf dem Boden abgesetzt, und ich blickte immer wieder zur offenen Tür, weil ich jeden Moment damit rechnete, daß der Bauer hereingestürzt kam, um Vater und mir etwas anzutun.
Ich traute ihm alles zu.
Aber wir blieben unbehelligt, und als wir wieder hinaustraten auf den Hof, drohte Lecock nur noch einmal von weitem und rief hämisch: »Verschwindet! Ich hoffe, ihr findet euer Meer ... Ich hoffe, ihr ersauft darin ...!«
Das waren die letzten Worte,
Weitere Kostenlose Bücher