Der Pfad des Kriegers (German Edition)
seinen Händen machten Schreiben zu einer einzigen Tortur, ja sie störten sogar seine Konzentration beim Zaubern. Kurzzeitig hatte er in seiner Verzweiflung sogar erwogen, seinen Bruder einzuweihen. Er musste vom Wahnsinn erfasst gewesen sein in diesem Moment. Die Vorstellung, dass sein Bruder ihm überhaupt zugehört oder gar seinen Worten Glauben geschenkt hätte, war absolut absurd. Nein, er musste sich alleine helfen. Einen Dolch hatte er ja selbst, jetzt musste er nur noch entscheiden, wie er in das Haus hineinkam. Die Tür war Tag und Nacht bewacht, die Fenster zu klein. Damit blieben nur das Dach oder die Möglichkeit sich unter der Hauswand hindurch zu graben. Letzteres war vermutlich viel zu zeitaufwendig und auf dem Dach war die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden viel geringer. Aber es bestand aus massiven Holzplanken, zumindest nach dem zu urteilen, was man von unten sehen konnte. Er hatte keine Ahnung, ob er es da durch schaffen konnte.
Er würde es darauf wohl ankommen lassen müssen. Welche Wahl hatte er schon? Selbst wenn der König nicht tot war, würden sie ihn früher oder später ermorden, um die Gefahr, die ihnen von ihm drohte, ein für alle Mal zu beseitigen. Nein, er musste sich Klarheit verschaffen und er musste den König retten.
In den nächsten Stunden versuchte er verzweifelt ein Brecheisen aufzutreiben, aber ohne Erfolg. Sein Dolch würde genügen müssen.
Der Geruch des Eintopfes ließ ihn fast erbrechen. Allein der Gedanke an Essen verursachte ihm Übelkeit und er war sich sicher, dass er nicht einen Bissen herunterbekommen konnte. Glücklicherweise waren die anderen so hungrig und die Hütte trotz des großen Feuers so dunkel, dass er nicht weiter auffiel, als er sich nicht am Abendessen beteiligte. Nur langsam wurde es dunkler und während die anderen Maegrin Fridjolf, dem Barden lauschten, der mit seinen über sechzig Jahren immer noch jeden in Bann schlug, wartete Arvid ungeduldig auf die richtige Stunde für sein Unternehmen. Fridjolfs Gesang hatte heute keine Wirkung auf ihn und nur am Rande nahm er wahr, wie sich nach und nach alle anderen schlafen legten. Am Ende war nur noch Fridjolf mit vier seiner eifrigsten Zuhörer wach.
„Du willst doch nicht im Sitzen schlafen oder, Junge?“
Arvid schreckte hoch. Als er seine Augen öffnete, blickte er in das freundliche Gesicht von Fridjolf. Trotz seines hohen Alters waren nur wenige Falten im Gesicht des alten Barden zu sehen und während seine Haare fast weiß waren, gab sein dunkler Bart noch Zeugnis von seinem früheren Aussehen. Früher war er der wohl größte Frauenschwarm seines Volkes gewesen, seine Erfolge bei Frauen waren legendär. Wohl auch einer der Gründe warum ihn der alte König vom Hof verbannt hatte. So mancher Adeliger war im Duell mit Fridjolf ums Leben gekommen, der nicht nur mit der Harfe gut umgehen konnte. Jetzt rüttelte er an Arvids Schulter bis dieser aufstand und sich laut gähnend zu seinem Schlaflager begab. Doch kaum hatte Arvid sich gelegt, wartete er nur darauf, dass der alte Mann endlich schlafen ging. Doch der hatte es nicht eilig. Augenscheinlich etwas angetrunken wankte er erst aus der Hütte, um sich zu erleichtern und machte sich dann daran, im flackernden Licht des kleinen Feuers, seine Harfe mit neuen Seiten zu bespannen. Es dauerte Stunden, wenigstens kam es Arvid so vor, bis der alte Mann sich endlich zur Ruhe legte.
„Sie sollten ihm mehr Arbeit geben, dann wäre er abends müder“, dachte sich Arvid, als er so leise wie möglich aufstand und seinen warmen Umhang umlegte. Vorsichtig stieg er über die Schlafenden, die überall auf dem Boden der Hütte lagen. Es gab immer noch zu wenig Hütten für die vielen Menschen, die in Neu-Anduil lebten und so mussten viele, anstatt wie zu Hause auf den doch recht komfortablen Bänken an den Wänden der Hütte, auf dem kalten Boden schlafen. Arvid hielt immer wieder inne, um sich zu vergewissern, dass er der einzige war, der wach war. Nicht, dass ihm etwas passieren würde, wenn ihn jetzt jemand bemerkte, er konnte ja immer noch behaupten, er ging nur nach draußen um sich zu erleichtern oder frische Luft zu schnappen. Aber sollte der König diese Nacht befreit werden, so würde sich sicher jemand daran erinnern, dass er nach draußen gegangen war.
„Sicher ist sicher“, dachte sich Arvid. Endlich hatte er den Ausgang erreicht und öffnete so leise wie möglich die schwere Eichentür. Erschrocken betrachte er den Nachthimmel. Es war
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