Der Pfad des Kriegers (German Edition)
Heimatstadt in Brand geraten und explodiert, einer seiner besten oder, besser, sein einziger Freund war damals ums Leben gekommen, die Explosion würde also als Ablenkung mit Sicherheit ausreichen.
Erst bei diesem Gedanken fiel ihm auf, was er eigentlich vorhatte. Wenn er ein Feuer legte, würden dabei Menschen ums Leben kommen. Selbst wenn niemand in den Flammen starb, Menschen würden wegen seiner Taten hungern müssen. Schon jetzt waren die Nahrungsmittel bedrohlich knapp und der Verlust eines Kornspeichers würde die Stadt schwer treffen. Aber nur ein Feuer von großer Wichtigkeit würde die Bewohner der Burg dazu bewegen das Tor zu öffnen und beim Löschen zu helfen und da blieben im Grunde nur die Kornspeicher und die Bootswerften. Aber die Boote wurden auch zum Fischen gebraucht. Beides war gleich schlimm. Konnte man mit etwas Schlechtem etwas Gutes erreichen? Durfte er das Leben guter Menschen aufs Spiel setzen, nur weil seine Ziele edel waren? In den Diskussionen mit den anderen Schülern war die Antwort für ihn immer so einfach gewesen: Nein! Böses konnte nie zu Gutem führen. Und jetzt stand er hier, nur wenige Dutzend Meter von der Stelle entfernt, an der er plante, ein vernichtendes Feuer zu legen.
Aus dem sicheren Schatten eines windschiefen Schuppens heraus beobachtete Arvid die vor ihm liegenden Gebäude. Jedes hatte nur eine Wache und eine Patrouille von zwei Mann machte regelmäßig ihre Runden. Sonderlich wachsam schien niemand zu sein. Es sollte machbar sein. Aber sollte er es tun?
Die Taisin würden niemanden verschonen, wenn sie irgendwann hierher kamen. Genauso wenig wie Sigurd und Hafgrimr Skjoldr und seine Anhänger verschont hatten. Es waren einfach schwere Zeiten für sein Volk und immerhin hatte er ein hehres Ziel vor Augen. Vielleicht würde ja auch niemandem was passieren. Die eine Wache schien zu schlafen und wenn er an ihr vorbeikam ohne sie zu wecken, dann würde ihr nichts zustoßen. Aber sollte er das Risiko eingehen? Wenn die Wache ihn bei seiner Tat überraschte, was dann?
Nein, er würde sie am Leben lassen. Der Krieger hatte nichts getan. Aber den Kornspeicher würde er anzünden müssen. Das Essen würde schon reichen und wenn die Männer beim Löschen aufpassten ...
In gebückter Haltung lief Arvid über den kleinen Platz zum ersten Kornspeicher. Er kannte die Wache. Es war Jorn, der früher ab und an den Turm der Meister bewacht und ihn einmal vor einer Tracht Prügel durch sogenannte Spielkameraden bewahrt hatte. Ihm durfte nichts passieren. Der junge Krieger, dessen rote lange Haare im Licht der Fackeln deutlich zu erkennen waren, schlief tief und fest. Leise trat Arvid an ihm vorbei, wobei sein Herz fast stehenblieb.
Die große Tür öffnete sich erstaunlich lautlos und schon war Arvid im Inneren des Speichers. Säcke und Tonkrüge mit Getreide standen überall herum und lagen aufeinander gestapelt an allen Wänden. Die staubige Luft nahm ihm fast den Atem. Was sollte er jetzt tun? Der kleinste Funke konnte, nach allem was er gehört hatte, einen Kornspeicher zur Explosion bringen. Aber irgendwie musste er das Feuer legen. Sollte er das Risiko einfach eingehen? Aber wenn er hier starb, dann waren König und Reich verloren.
Mit jedem Schritt wirbelte er Staub auf. Die Luft war stickig und der Staub sammelte sich in seinem Mund und seiner Nase. Ein fürchterliches Verlangen zu husten und zu nießen erfasste ihn. Aber er riss sich zusammen. Vorsichtig, immer darauf achtend gegen keinen der vielen Krüge zu stoßen, bahnte er sich einen Weg durch den Raum.
Auf der anderen Seite fand er die Lösung für sein Problem. Wind strömte durch die Ritzen der Hüttenwand und vertrieb den Staub. Während er mit tiefen Zügen die frische Luft einsog, machte er sich schnell daran, brennbares Material zu sammeln. Der ganze Boden war mit trockenen Getreidehalmen bedeckt und so hatte er rasch genug Material beisammen. Würde es übergreifen? Lieber noch eine kleine Spur legen, hin zu den großen Getreidesäcken. Wie lange würde es dauern, bis alles in die Luft flog? Zehn Sekunden? Zwanzig? Mehrere Minuten? Hauptsache er kam rechtzeitig raus. Mit zittrigen Händen holte er Zunder und Feuerstein aus der Tasche und versuchte Funken zu schlagen. Es passierte nichts. Wie alle Maegrin war er mehr als bewandert in der einfachen Kunst des Feuermachens. Aber hier geschah gar nichts. Ängstlich horchte er auf Geräusche von draußen, doch von dort war nichts zu hören. Wieder und wieder
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