Der Pfad des Kriegers (German Edition)
der Palisade. Gedämpft durch den Wall waren die Geräusche aus der Stadt jetzt kaum noch zu hören und die Stille begann an Bryans Nerven zu zehren. Gerne hätte er einen Blick in den Stall geworfen und in das kleine Wachhaus am Tor, aber es hatte geheißen, dass sie sich sofort und ohne Umwege zu den Schlafgemächern des Königs begeben sollten. So schlichen sie in geduckter Haltung über den Burghof.
Jede Sekunde rechnete Bryan mit einem lauten Schrei, der den Wachen, die sich hinter all den Fenstern versteckt hielten, den Befehl geben würde, sie mit Pfeilen zu spicken. Mehr als genug Zeit hatten sie ja gehabt sich vorzubereiten. Vielleicht hatten sie sie schon am Anfang des Hügels entdeckt und wollten nur sicherstellen, dass ihnen niemand entkam? Schon seltsam, dass die Leute mit denen er in den letzten Wochen trainiert und getrunken hatte, vielleicht jetzt mit Bogen in der Hand hinter diesen Fenstern warteten, um ihn zu töten.
Aber nichts passierte. Ohne Zwischenfall erreichten sie die Westseite des Palastes und als Riagan den Ruf der Nachteule nachahmte, wurde im dritten Stock tatsächlich ein Fenster geöffnet und ein Seil heruntergelassen. Mit den Füßen gegen die Mauer und mit beiden Händen am Seil begann Bryan seinen Aufstieg. Es war eine weise Entscheidung gewesen, das Kettenhemd nicht mitzunehmen, denn auch so schon schien ihm das gute dutzend Meter unerträglich lang. Oben angekommen wurde er von Luag begrüßt, der ihm bedeutete zu schweigen. Während seine Männer einer nach dem anderen durch das Fenster kamen, betrachte Bryan Luag. Der breitschultrige Mann mit den vielen Narben im Gesicht machte sogar ihm Angst und er war niemand, der sich schnell fürchtete. Luags rechte Hand schien sich niemals von dem Griff seines Langschwertes zu entfernen und allein seine Hässlichkeit reichte aus, um einen schaudern zu lassen. Aber das schlimmste war sein Blick, diese stechenden schwarzen Augen.
„Ich sollte nicht so über einen Mann meines Königs denken!“, beschloss Bryan und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der vor ihnen liegenden Aufgabe zu. Sie sollten sich in einer kleinen Kammer neben dem Schlafsaal des Königs versteckt halten, um nachts Türen und Fenster zum großen Schlafsaal zu bewachen. Anscheinend gab es immer noch Personen unter den Laevlin, die an Sions Plan zweifelten und nicht bereit waren einen Teil ihrer Macht abzugeben, um ihrem Volk ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber das er nicht mal seiner eigenen Leibwache trauen konnte, erschütterte Bryan, vor allem da er Eogan seit vielen Jahren kannte und schätzte.
Schon seit längerem hatte Bryan selbst erkannt, dass Sions Weg der einzig mögliche war. Sie mussten ihre Vorurteile gegenüber dem Festland überwinden und lernen, wo immer sie konnten, um diese Bedrohung zu beseitigen. Durch einen schmalen Korridor führte Luag sie zu einer massiven Eichentür, die sich nach einem leisen Klopfen öffnete. Brendan und Fionn standen neben dem König. Einige wenige Krieger, alle schwer bewaffnet, saßen und standen in verschiedenen Ecken des Raumes.
„Ich freue mich Euch und Eure Männer hier zu sehen, Bryan!“, begrüßte ihn der König mit leiser, aber doch kraftvoller Stimme. Er kannte seinen Namen!
„Danke mein König, es ist mir eine Ehre hier …!“
„Ich weiß, Bryan. Es tut mir leid! Aber du musst verstehen, es dient dem großen Ganzen!“
Verständnislos schaute Bryan den König an. Was meinte er? Faolan und die anderen schauten sich unruhig um.
„Tötet sie!“, befahl der König, mit Bedauern in seiner Stimme.
Faolan reagierte am schnellsten. Während Bryan noch völlig fassungslos dastand, warf er sich gegen die nächste Wache und zog dabei seinen Dolch. Die Wache, ein junger Krieger, den Bryan meinte schon mal gesehen zu haben, war von Faolans schneller Reaktion völlig überrascht und stolperte rückwärts. Unterdessen hatten Brendan und Fionn ihre Langschwerter gezogen und waren vor den König getreten, der sich langsam in die gegenüberliegende Ecke des Raumes zurückzog. Auch die anderen Krieger kamen jetzt auf sie zu. Gegen ihre schweren Rüstungen und die größere Reichweite ihrer Schwerter und Speere würden sie keine Chance haben.
„Zur Tür“, schrie Bryan als er seine Fassung wiedergewonnen hatte. Ein lauter Schmerzensschrei ließ ihn herumfahren. Luag! Ihn hatte er ganz vergessen. Der gewaltige Krieger stand jetzt mit gezogenem Langschwert zwischen ihnen und der Tür. Doch jetzt war Bryan in
Weitere Kostenlose Bücher