Der Pfad des Kriegers (German Edition)
von Heldenmut und Tod. Auch sein Volk hatte diese Lieder, aber sie wurden selten gespielt. Auf Totenwachen, vor Kriegszügen, aber nicht abends am Feuer nach einem Tag voll harter Abend. Da gingen die Lieder der Llaevin über Streiche, die der legendäre Feradach dem König gespielt hatte oder darüber wie Kinder Äpfel klauten. Kurze, fröhliche Lieder, die jeder kannte, nicht endlose Balladen über Heldentod. Aber bei den Maegrin drehte sich sowieso alles um Krieg. Sogar die Frauen auf dem Feld sprachen von wenig anderem, von dem alltäglichen Klatsch einmal abgesehen. Sogar wenn sie über ihre alte Heimat redeten, ging es auch immer nur darum, wer wie gefallen war und wo und um die heldenhafte Verteidigung irgendeines Ortes, von dem er noch nie gehört hatte. Er konnte damit nichts anfangen. Auch die Llaevin gedachten ihrer Toten, aber das Leben gehörte den Lebenden und es war zu schön und kurz, um es nicht zu genießen. Hier schien der Tod in der Schlacht jedoch das einzige wirkliche Ziel zu sein.
Natürlich hatte er auch ein Held sein wollen, aber um es daheim zu genießen, um von allen bewundert zu werden und um seine jüngeren Brüder zu beeindrucken. Und Sheila. Immer wieder kam ihm dieses Mädchen mit ihren roten Haaren und den wunderschönen grünen Augen in den Sinn und der Abend am Fluss, den er mit ihr verbracht hatte. Diesen Sonnenuntergang würde er nie vergessen. Sie fehlte ihm, genauso wie all die anderen und diese Lieder über Tod und Verderben hoben seine Stimmung nicht unbedingt.
„Es war nicht immer so.“
Thomas schreckte aus seinen Gedanken. Ida hatte sich neben ihn gesetzt, ohne dass er es gemerkt hatte.
„Was?“
„Die Lieder. Wir haben nicht immer nur solche Lieder gesungen.“
Ida war eine der wenigen Maegrin, die von Anfang an nett zu ihm gewesen waren. Oder ihn wenigstens wahrnahm. Für die meisten anderen schien er überhaupt nicht zu existieren. Wobei er zugeben musste, dass er auch nicht oft versuchte mit ihnen zu reden, auch wenn er die Sprache inzwischen recht gut beherrschte.
„Hm“, antwortete er einsilbig.
„Jeder hier hat Freunde und Verwandte verloren. Mein Vater ist tot, meine Brüder, meine beiden Schwestern. Meine Mutter und ich haben als einzige überlebt.“
Von seinem Volk waren auch viele gestorben, aber das behielt Thomas besser für sich. Dafür genoss er es zu sehr mit jemandem zu reden. Vor allem wenn die Person so gut aussah wie Ida. Sie war fast so groß wie er und bestimmt zwei oder drei Jahre älter. Lange dunkle Haare, untypisch eigentlich für die Maegrin, umrahmten ein Gesicht, das Thomas nur als perfekt bezeichnen konnte.
„Das tut mir leid. Krieg ist eine schreckliche Sache.“
„Da hast du Recht, dabei ist das Leben so schön!“
Bildete er sich das nur ein oder war sie bei diesen Worten näher an ihn herangerückt? Sein Herz begann schneller zu schlagen. Sie schaute ihm jetzt direkt in die Augen.
„Wir sollten das Beste aus unserem Leben machen, Thomas!“ Thomas wurde rot. Was meinte sie damit? Was sollte er antworten?
„Ja, äh, das finde ich auch.“
Wohl die beste Antwort, die er jemals auf irgendwas gegeben hatte.
„Warum ignorierst du mich dann seit Wochen?“
„Ich, ich, ich ignoriere dich doch nicht, ich meine, also ...“ Inzwischen war sie so nahe gekommen, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. Ihm war mehr als unbehaglich zumute.
„Komm, lass uns frische Luft schnappen. Die Stimmung in diesem Raum macht mich ganz krank.“
Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, hatte sie auch schon seine Hand ergriffen und ihn von der Bank regelrecht hochgerissen. Er folgte ihr nach draußen, begleitet von dem freundlichen Lächeln und Grinsen der anderen Maegrin im Raum. Sogar Gunnar nickte ihm freundlich zu. Oder Ida. Mit hochrotem Kopf trat Thomas durch die Tür und fand sich im nächsten Moment gegen die Hauswand gedrückt und mit Idas Zunge in seinem Mund wieder. Seltsam, aber nicht unangenehm und so anders, als der Kuss, den er mit Sheila ausgetauscht hatte. Schnell verschwand Sheila wieder aus seinen Gedanken, denn während sich Idas Zunge in seinem Mund befand, waren ihre Hände anderweitig beschäftigt. Und es dauerte nicht lange, da fanden sie sich beide auf dem Boden hinter der Hütte wieder. Kurz darauf lagen sie beide erschöpft und glücklich nebeneinander und schauten in den Himmel. Die Nacht war eisig kalt, doch das störte Thomas nicht. Er hatte nie geglaubt, dass er jemals so glücklich und
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