Der Pfad des Kriegers (German Edition)
vorwärts wankten, langsam einen Schritt vor den anderen setzend und dabei häufig stolpernd. Immer wieder blieb sie stehen und achtete darauf, ob sie Kampfgeräusche hörte. Eigentlich war es unnötig, denn in dem Tempo, das sie noch halten konnten, würden sie keinem Verfolger entkommen, egal wie lange die Nachhut ihn aufhielt.
Die Tatsache, dass sie noch nicht angegriffen worden waren, obwohl Jorven nicht zurückgekehrt war, gab ihr aber etwas Hoffnung für ihre kleine Gruppe. Denn Zeit dafür hätten die Taisin oder andere ja gehabt.
Sie fluchte leise, als sie über eine Baumwurzel stolperte. Warum versuchte sie überhaupt leise zu sein? Vermutlich waren sie meilenweit zu hören, selbst in diesem Wald, wo das Dickicht jedes Geräusch zu schlucken schien. Wieder stolperte sie. Wie weit waren sie inzwischen gekommen? Zwei, drei Meilen? Sie schienen überhaupt nicht voranzukommen. Wann sollte sie den Befehl zum Halten geben?
Fast drei Stunden waren sie schon unterwegs. Die Sonne musste immer noch hoch am Himmel stehen, aber hier war es inzwischen so dunkel, dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Sie alle waren zu erschöpft, um noch viel weiter zu laufen. Sie selbst war zwei Mal unter dem schweren Tragegestell zusammengebrochen, das sie einem kränklich wirkenden Mann abgenommen hatte. Als Vruni anbot es zu übernehmen, hatte sie nur kurz gezögert, bevor sie dankbar genickt hatte. Doch selbst ohne die schwere Last war jeder Schritt eine Qual. Die Wochen ohne ausreichend Essen zeigten jetzt ihre Wirkung. Vermutlich sollten sie einfach hier bleiben und am nächsten Tag weiter ziehen. Aber sie hoffte immer noch auf eine Lichtung. Eigentlich unsinnig, denn im Wald waren sie vermutlich sicherer als auf freiem Feld, aber sie wollte nicht unter diesen Bäumen schlafen, die so bedrohlich neben ihr aufragten. Sie konnte nicht mal mehr die Baumkronen erkennen, so hoch waren sie inzwischen.
Sie wollte gerade den Befehl zum Halten geben, als sie von weiter vorne ein Raunen hörte. So schnell sie konnte, begab sie sich an die Spitze der Kolonne. Was sie dort sah, raubte selbst ihr den Atem. Etwa zwanzig Meter von ihr entfernt standen die größten Bäume, die sie je gesehen hatte, größer selbst als der heilige Baum in Anduil. Sie hatten einen Durchmesser von bestimmt drei, vielleicht sogar vier Mannslängen und schienen hunderte Meter weit in den Himmel zu ragen. Zwischen ihnen schien Licht hindurch. Aufgeregte Stimmen erhoben sich, fröhlicher als zuvor. Das Licht gab auch ihr neue Hoffnung. Nach Stunden im Halbdunkeln war die Aussicht auf eine hell erleuchtete Lichtung genug, um ihre Stimmung zu heben.
Aber sie mussten vorsichtig bleiben. Sie gab zwei Kriegern Handzeichen ihr zu folgen und bedeutete den anderen ruhig zu sein, dann machte sie sich langsam auf den Weg zum Rand der Lichtung.
Der weiche, moosbewachsene Boden, der vorher das Gehen so schwer gemacht hatte, war nun zu ihrem Vorteil. Leise, so leise drei Krieger in Kettenrüstung eben sein konnten, gingen sie vorwärts. Bald hatten sie den Rand der Lichtung erreicht. Als Sälvor aus dem Schatten der Bäume trat, war sie sprachlos. Strahlend blauer Himmel erhellte eine große Lichtung, die von neun riesigen Bäumen umgeben war. Die Lichtung selbst war von grünem Gras bewachsen und die Sonne wärmte sie. Ein zutiefst friedlicher Ort. Vielleicht konnten sie hier …
„Schön, dass ihr gekommen seid. Ich habe euch bereits erwartet“, hörte sie eine Stimme in einem seltsamen Dialekt sagen.
Ihre Hand fuhr zu ihrem Schwertgriff und während sie es zog, wandte sie sich in die Richtung, aus der die Stimme kam.
Aus einer großen Baumhöhle war ein alter Mann getreten. War er überhaupt alt? Nur mit einem Lendenschurz bekleidet und so dreckig, dass man kaum Gesichtszüge erkennen konnte, trat der Mann mit ausgestreckten Armen und leeren Händen auf sie zu.
„Fürchtet euch nicht!“
XXXII
Barretts linke Hand fuhr zum Dolch und mit einem Ruck setzte er sich auf. Sein Kopf krachte gegen einen Balken. Er unterdrückte einen Fluch. In der Dunkelheit konnte er kaum etwas erkennen. Wo war er? Mit gezogenem Dolch tastete er sich vorwärts. Sein Schädel dröhnte, ihm war schwindelig und sein linker Arm schien zu bluten. So langsam kam seine Erinnerung zurück. Der Kampf mit Luag. Seine Flucht. So schnell es ging, hatte er sich vom Ort des Geschehens entfernt, aus mehreren Wunden blutend. Erst hatte er vorgehabt, sich in einer der Lagerhallen
Weitere Kostenlose Bücher