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Der Pfad des Kriegers (German Edition)

Der Pfad des Kriegers (German Edition)

Titel: Der Pfad des Kriegers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Ebert
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Feind entkommen konnten. Viele von denen, die sie beobachtete, waren schon erschöpft davon, die Vorräte aus den Hütten zu tragen. Mit den schweren Tragegestellen würden sie nicht weit kommen. Wer hätte auch ahnen können, dass die Taisin in den Wald eindrangen, schließlich hatten sie sie in den letzten Wochen in Ruhe gelassen. Falls es die Taisin waren. Sie hoffte es. In diesem Fall konnten die Krieger vielleicht dem Rest genug Zeit erkaufen, um zu entkommen.
    Sie rechnete jeden Moment damit, von einem Pfeil getroffen zu werden. Vielleicht warteten sie schon in den hohen Bäumen, um sie herum. Unsichtbar für das menschliche Auge. Waldwesen. Gestalten aus alten Geschichten, mit denen man Kinder erschreckte. Mit denen sie ihre Kinder erschreckt hatte. Früher, vor zwanzig Jahren. Der Reihe nach kontrollierte sie die Wachposten. Völlig unnötig, niemand würde jetzt auf Wache unaufmerksam sein oder gar einschlafen, aber irgendetwas musste sie tun.
    Sie nickte den kleinen Gruppen von Kriegern zu, sprach aber kein Wort. Dafür war sie viel zu nervös. Wie lange war Jorven schon weg? Er musste doch bald wieder da sein.
    Schnellen Schrittes kehrte sie ins Lager zurück. Dort war inzwischen alles eingepackt. Männer und Frauen standen unschlüssig herum, unsicher, was sie noch tun sollten. Was sollten sie tun? Sollte sie sie schon weiter schicken? Allein, ohne Begleitung? Sie ertappte sich dabei, wie sie anfing auf ihren Fingernägeln zu kauen. Warum war sie nicht gegangen? Noch einmal ließ sie ihren Blick über das Dutzend Hütten schweifen, die seit zwei Wochen ihr Leben waren.
    Dann ließ sie sich erschöpft auf einen umgefallenen Baumstamm fallen. Sie war einfach nur müde. Ein Tag, nur ein Tag, an dem sie nicht um ihr Leben fürchten musste und um das ihrer Freunde und Gefolgsleute. Ein Tag nur, an dem es genug zu essen gab. Das war ihr einziger Wunsch. Sie seufzte und stand wieder auf. Langsam machte sie wieder ihre Runde um das Lager.
    Inzwischen war es fast eine Stunde her, dass Jorven aufgebrochen war. Sie hätte längst von ihm hören müssen. Vermutlich war er nicht mehr am Leben.
    Was sollte sie tun?
    Niemand war da, um ihr bei ihrer Entscheidung zu helfen. Alle gingen ihr aus dem Weg, wichen ihrem Blick aus. Als sie auf den jungen Krieger zugetreten war, der sie vorhin so scharf kritisiert hatte, hatte dieser eiligst begonnen, seine Stiefel zu säubern. Sie musste alleine entscheiden. Ohne Ratschläge, ohne Jorven. Sie wusste, dass er tot war. Aber irgendwie tat es nicht weh. Vielleicht hatte sie in den letzten Monaten einfach zu viele Menschen verloren, die sie liebte.
    „Wir brechen auf! Tiefer in den Wald!“
    Sie erwartete Widerspruch, aber der kam nicht. Zwar konnte sie hier und da Leute leise reden hören, aber niemand widersetzte sich ihrem Befehl und alle machten sich bereit zum Aufbruch.
    „Jo...!“, setzte sie an und brach ab: „Ansgar, du übernimmst die Nachhut. Nimm' dir so viele Krieger, wie du brauchst.“
    Ansgar, ein weißhaariger, alter Krieger, nickte. Sie hatte keine Ahnung, ob er überhaupt jemals Krieger in die Schlacht geführt hatte, aber er war ihr am nächsten gestanden und sie hatte seinen Namen gekannt. Vor allem würden die anderen ihn aufgrund seines Alters respektieren. Selbst Balins Anwesenheit hätte sie jetzt beruhigt. Zwar waren sie sich selten einig gewesen, jetzt jedoch hätte sie ihn und seine Männer gut gebrauchen können.
    Sie fühlte sich schlecht dabei, den Mann im Stich zu lassen, der so viel für sie getan hatte. Der ohne zu Zögern die Aufgabe übernommen hatte, die am gefährlichsten war. Erst Hallkell, jetzt Jorven, Männer, die es unternahmen, sie zu beschützen, schienen nicht alt zu werden.
    Der Wald wurde dunkler und die Bäume noch höher als zuvor. So gut wie kein Sonnenlicht fiel durch die dichten Wipfel auf den Waldboden. Mühsam bahnten sie sich ihren Weg, über vermodernde Baumstämme, Bäche und durch dichtes Unterholz. Der Wald war ganz anders als die lichten Wälder, die sie kannte. Seit Jahrhunderten hatte hier niemand mehr Holz gefällt. Vielleicht noch nie. Zumindest hatten sie nie irgendwelche Zeichen dafür entdeckt. Moos wuchs an den Bäumen und ständig vielen Wassertropfen von oben herab. Trotzdem war es nicht wirklich kalt, es schien eher wärmer zu werden, je weiter sie in den Wald eindrangen. Oder es lag an dem schweren Kettenhemd. Um sie herum waren überall schwitzende und leise fluchende Menschen, die vielfach nur noch

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