Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Vater – noch dazu, ohne auf die Hilfe seines Bruders setzen zu können, der es bis dahin gewiss längst zum General gebracht hätte und als solcher den Frieden des Kaiserreichs sichern würde. Natürlich hätte er irgendwann eine Frau und Kinder. Und sonst? Er würde sich wohl mit dem begnügen müssen, was ihm zufiel, ohne von mehr zu träumen. Er würde tun, was man von ihm verlangte, ohne mehr zu geben, und er würde lernen, heimlich zu lieben, ohne mit jemandem darüber zu reden.
Und doch gab es etwas, das er sich innig wünschte: so zu sein wie Iago. Dabei ging es ihm nicht um den Blondschopf und die Talente des jungen Mannes – nein, er hätte gern sein Charisma und seine Geschicklichkeit gehabt. Und vielleicht das Interesse von Esyld.
Im Unterholz holte er sie schließlich ein. Sie hatte ihr Pferd angehalten und betrachtete mit ernster Miene den dunklen Rauch, der über Guet d’Aëd stand. Laertes Pferd wurde so nervös, dass er es beruhigen musste. Esyld blickte ihn streng an.
»Du bleibst hier und bewegst dich nicht von der Stelle.«
»Was? Aber warum? Was ist los?«
Jetzt sah auch er den Rauch. Der Wehrturm brannte. Sein Herz setzte einen Schlag aus, er wurde blass. Gehorsam zügelte er sein Pferd.
Esyld trieb ihr Tier wieder an und galoppierte auf die Holzumfriedung der Stadt zu. Was würde sie dort finden? Natürlich hätte Laerte ihr folgen und sich selbst ein Bild von dem machen können, was sich in der Stadt abspielte. Aber der jüngste Sohn des Grafen von Uster, ein ziemlich schlechter Sportler und mittelmäßiger Schüler von durchschnittlichem Aussehen, fand nicht den Mut, die zu begleiten, die er liebte.
Unruhig tänzelte sein Pferd auf der Stelle. Esyld war längst in einer Staubwolke verschwunden.
Unentschlossen wartete er über eine Stunde. Was sollte er bloß tun? Sie suchen? Im Wald bleiben? Was war überhaupt in der Stadt los?
Er stieg vom Pferd, band es an einen Baum und lief hin und her wie in einem Käfig, ohne den Blick vom Festungswall der Stadt abzuwenden. Schließlich lehnte er sich schwer atmend an einen Stamm. Aus der Stadt drangen Kampfgeräusche herüber.
Plötzlich erklang hinter ihm ein leises Knacken. Hastig drehte er sich um. Eine schmale, behandschuhte Hand legte sich auf seine Schulter, eine zweite hielt ihm den Mund zu
»Pst, Laerte, beruhige dich. Ich bin es.«
Vor ihm stand Esyld in einem blauen Umhang. Warum hatte sie sich umgezogen? Ehe er sie fragen konnte, reichte sie ihm einen schwarzen Umhang, den sie mitgebracht hatte.
»Zieh das an. Schnell. Wir müssen sofort weg hier. Sie haben Patrouillen losgeschickt und suchen nach dir.«
»Wer – sie?«, fragte Laerte mit zitternder Stimme. »Was ist passiert, Esyld?«
Er warf den Umhang über. Esyld legte ihm beide Hände auf die Schultern und blickte ihm tief in die Augen.
»Die kaiserliche Armee. Dein Vater wurde gefangen genommen. Deine ganze Familie sitzt im Kerker.« Man merkte ihr nicht die geringste Gemütsbewegung an.
»Aber warum?«
»Mein Vater ist bei Hauptmann Meurnau im Norden der Stadt. Los, wir müssen uns eilen. Schnell!«
Ihr Gesicht wirkte so starr und angespannt, dass er sie kaum wiedererkannte. Sie nahm seine Hand und zog ihn in den Wald. Meurnau. Der Gardehauptmann.
»Wenn ein junges Mädchen die Stadt verlässt, fällt es weniger auf«, sagte sie mit nervöser Stimme. »Irgendwer hat ihnen gesagt, dass du in die Sümpfe geritten bist, und jetzt durchkämmen sie die ganze Umgebung und suchen dich überall.«
Am Waldrand wartete ein kleines, mit einer Plane bedecktes Fuhrwerk.
»Außer an der Stelle, von der sie nicht glauben, dass du dort hingehst. Versteck dich, es könnten Soldaten unterwegs sein.«
Ihr Lächeln war so verkrampft, dass es ihn kaum tröstete. Sie half ihm, unter die Plane zu schlüpfen.
Am Himmel zogen Wolken auf. Bald würde es regnen. Zwischen zwei schlaffen Säcken, die nach Kloake rochen, rollte sich Laerte zusammen wie ein Neugeborenes. Seine Schläfen pochten, ihm zitterten die Hände. Er ballte sie zu Fäusten. Sein Vater war von den Kaiserlichen verhaftet worden? Warum? Wenn es stimmte, dass man nach ihm suchte, dann drohte ihm sicher das gleiche Schicksal. Was wurde dem Haus Uster zur Last gelegt? Es war doch wohl kaum möglich, dass einzig Oratios Schriften ein derartiges Vorgehen rechtfertigten? Warum also?
Laerte hörte das Schnalzen der Zügel und Hufe, die auf der Stelle tänzelten. Dann setzte sich der Karren in Bewegung.
»Und keinen
Weitere Kostenlose Bücher