Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
ist ein fantastischer Bogenschütze und kennt sich mit Poesie aus.«
Laerte hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Doch er blieb stehen und ergriff mit feuchten Händen die Zügel seines Pferds, die sie ihm reichte.
»Er macht eine wirklich gute Figur auf dem Pferd und hätte sicher wunderbare Worte gewusst, um die Landschaft zu beschreiben«, fügte sie hinzu, während sie auch ihr Pferd vom Baum losmachte.
Mit gesenktem Kopf zog Laerte sein Pferd hinter sich her. Wenn sie so von Iago sprach, tanzte ein Leuchten in ihren Augen, das ihm ganz und gar nicht gefiel. Iago war der Sohn des Gardehauptmanns und hatte schon deshalb einige Vorteile. Außerdem war er bereits sechzehn Jahre alt und obendrein blond und sehr groß – geradezu das Musterbild eines schönen, jungen Mannes, dem niemand widerstehen konnte.
Stumm trotteten Laerte und das Mädchen neben ihren Pferden am Waldrand entlang.
»Oh, sieh mal, ein Frosch«, rief das Mädchen. Sie hatten einen Weg erreicht, der sich durch den Wald schlängelte.
Sie warf ihm die Zügel ihres Pferds zu, lief hinter dem grünen Hüpfer her, fing ihn vorsichtig ein und barg ihn in ihren Händen. Nur das grüne, schwarz gestreifte Köpfchen sah zwischen den Fingern hervor. Sie drückte dem Tier einen sanften Kuss auf die Augen. Als nichts passierte, ließ sie den Frosch wieder frei. Mit großen Sprüngen brachte er sich in Richtung Sumpf in Sicherheit.
»Ekelhaft«, schimpfte Laerte mit gerümpfter Nase. »Jedes Mal, wenn du einen Frosch siehst, machst du das!«
»Schließlich könnte es ja auch jedes Mal ein verzauberter Prinz sein«, verteidigte sie sich und zuckte mit den Schultern.
Sie trat vor ihn hin, legte ihm den Zeigefinger auf die Nase und zwinkerte ihm zu. »Wer weiß schon, in welchem Frosch sich ein Märchenprinz verbirgt.«
»In dem da jedenfalls nicht. Und wenn du nun Pickel davon bekommst?«
Sie führte ihr Pferd zu dem Waldweg, der sich zwischen blühenden Hainen dahinschlängelte.
»Von Fröschen bekommt man keine Pickel«, entgegnete sie. »Meine Großmutter hat mich gelehrt, dass sie sogar Heilkräfte haben.«
»Weiß ich doch«, trumpfte Laerte blasiert auf.
»Der Urin des Binsenfroschs ist eine ausgezeichnete Medizin. Außerdem sind sie beileibe nicht nur irgendwelche armen kleinen Tiere. Sie könnten selbst dem gewieftesten Strategen noch etwas beibringen.«
Sie saß auf. Ihr Kleid rutschte hoch und enthüllte ihre Beine bis zu den Oberschenkeln.
Laerte schluckte heftig und umklammerte die Zügel so fest wie möglich. Plötzlich sehnte er sich danach, diese Beine zu küssen, mit der Hand darüberzustreichen und ihren Duft zu erkunden. Dieses Gefühl war ihm neu. Er senkte die Augen. Nicht etwa, um die Gedanken zu verjagen, die ihm eigentlich recht gut gefielen, sondern um ihnen nicht noch mehr Nahrung zu geben. Auch er stieg auf sein Pferd und trieb es mit einem Fersendruck an.
»Wusstest du, dass sich der Erain-Frosch von Wespen und Hornissen ernährt?«, fuhr das Mädchen fort. »Er jagt sie mit einer ganz besonderen Technik. Seine Haut nimmt die Färbung seiner Beutetiere an, er nähert sich einem Bau und gibt sich sozusagen als ihresgleichen aus. Sobald ihre Aufmerksamkeit nachlässt …« Sie neigte den Kopf zur Seite und warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Der Erain-Frosch wartet, bis er seinen Feinden ganz nah ist, ehe er zuschlägt. Da siehst du, kleiner Graf, dass man sogar von einem einfachen Frosch noch etwas lernen kann.«
»Du sollst mich nicht kleiner Graf nennen«, schimpfte er.
»Oh, er ärgert sich … Ärgerst du dich auch, wenn du als Letzter vor den Toren von Guet d’Aëd ankommst?«
Mit diesen Worten trieb sie ihr Pferd an und galoppierte so geschwind davon, dass Laertes Pferd erschrak, sich aufbäumte und seinen Reiter beinahe abgeworfen hätte. Hin- und hergerissen zwischen Wut und Vergnügen sah er dem Mädchen nach. Ihre dunklen Locken flogen hinter ihr her wie eine Mähne.
Ihr Name war Esyld Orbey. Sie war die Tochter des Schmieds von Guet d’Aëd, und Laerte von Uster, der Sohn des Grafen, der über das Gebiet der Salinen herrschte, liebte sie von Tag zu Tag mehr, ohne dass er es jemandem zu gestehen wagte. Im Galopp preschte er hinter ihr her.
Der ihm vorgegebene Weg lag so deutlich vor ihm wie der Pfad, der durch den Wald zur Stadt führte. Eines Tages wäre er der Graf der Salinen. Allerdings konnte er nicht abschätzen, ob ihm das Regieren ebenso leichtfallen würde wie seinem
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