Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
an.
»Niemand?«, lachte der General. »Dafür rufst du aber ziemlich oft nach ihm. Jede Nacht, mein Junge. Er muss also jemand sein, dieser Madog.«
Laerte schwieg. Er war entschlossen, solche Dinge für sich zu behalten. Dun war nur ein Werkzeug, ein Bauernopfer, das ihn zum Kaiser bringen sollte. Laertes Geheimnisse gingen ihn nichts an. Würde er die wahre Identität seines Zöglings erfahren, würde der Junge es wohl mit dem Leben bezahlen.
Vom Aufstand in den Salinen begriff Laerte nicht viel. Sein einziges Ziel war es, den Kaiser zu töten, und dieses Vorhaben allein fesselte seine Aufmerksamkeit. Der Rest der Welt trieb beinahe an ihm vorbei.
Monatelang hatte er nachgedacht und akribisch Pläne geschmiedet. Den Ritter zu pflegen und ihn zu seinem Lehrer zu machen, war nur der Anfang gewesen. Nach und nach hatte er Geschmack an der Kampfkunst gefunden und war sicher, dass man ihn eines Tages ebenso respektieren würde wie seinen Vater. Und was noch viel wichtiger war: Seine Feinde würden ihn fürchten. Bis zur Erschöpfung hatte er trainiert, den Schmerz ignoriert und die Lektionen immer weiter geübt, wenn sein Meister längst schlief.
»Los, Junge, steh auf. Wir sind jetzt in der Grafschaft Garm-Sala. Nur noch zwei Wochen, dann erreichen wir Garmaret und dürfen endlich wieder einmal heiß baden.«
Bis sie nach Emeris kämen, wäre er der größte Ritter der Welt und in der Lage, den Kaiser selbst herauszufordern. Genau wie der Erain-Frosch würde er seiner Beute ähnlich werden und sich eines Tages auf sie stürzen. Immer noch müde erhob er sich.
»Los doch!«, drängte Dun.
Mühsam und mit verzerrtem Gesicht kletterte der General auf sein Pferd. War es sein Bein, das ihm noch Schmerzen bereitete? Laerte ertappte sich bei einer mitleidigen Regung. Er war sicher gewesen, dass sich das verletzte Bein auf der Flucht als Hindernis herausstellen würde, doch zu seiner Überraschung wurde Dun auf beeindruckende Weise damit fertig. Und außerdem hatte er ihm während der Flucht beigestanden. Dafür verdiente er Respekt.
Zwei Wochen, hatte er gesagt. Und tatsächlich brauchten sie zwei Wochen, um durch die Wälder bis zu den grünen Ebenen von Garm-Sala zu gelangen, wo die befestigte Stadt Garmaret auf sie wartete. Während dieser beiden Wochen träumte Laerte jede Nacht von Madog und musste am Morgen die Fragen seines Meisters über sich ergehen lassen. Unterwegs lehrte er den Jungen die Grundzüge der Jagd. Beide freuten sich daran, einmal anderes Fleisch als das von Fröschen zu kosten.
Laerte allerdings fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Der General erschien ihm rüpelhaft, immer spöttisch und vor allem indiskret. Ständig wollte er mehr über den Jungen wissen und stellte ihm ohne ersichtlichen Grund unvermittelte Fragen, mit deren Beantwortung sich Laerte schwertat. Glücklicherweise wechselte Dun sofort das Thema, wenn Laerte ihn mit einem ausweichenden Satz abspeiste.
Bei jeder Ruhepause setzte er sein Training fort. Im Schatten der hereinbrechenden Nacht kämpfte Laerte gegen unsichtbare Feinde, bis seine Muskeln glühten und er erschöpft in die Knie ging. Müde kehrte er ins Lager zurück, legte sich hin und schlief kaum drei Stunden, ehe er im Morgengrauen erschrocken auffuhr. Tagsüber schwankte er auf seinem Pferd und war so müde, dass er mehr als einmal beinahe hinuntergefallen wäre.
Eines Tages erreichten sie den Waldrand, und die Ebene von Garm-Sala lag vor ihnen. Unter einer warmen Frühlingssonne erstreckten sich Hunderte fruchtbarer Felder vor ihren Augen. Ochsenkarren zuckelten über Feldwege, überall blühten Blumen.
»Garmaret«, seufzte Dun und zeigte auf die wuchtigen Mauern in der Ferne. Von ihrem Standort sah die Stadt aus wie ein Steingeviert mit einem Wachturm an jeder Ecke.
»Wenn wir forsch reiten, können wir heute Abend da sein.«
Laerte betrachtete die Landschaft mit unbewegter Miene. Er war es gewohnt, seine Gefühle zu verstecken, und ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken.
»Deine Begeisterung kennt offenbar keine Grenzen«, sagte Dun und tätschelte seinem Pferd den Hals. »Freust du dich nicht auf ein bisschen wohlverdiente Ruhe?«
»Doch.«
Seine Einsilbigkeit schien den General so sehr zu verstimmen, dass Laerte es für angebracht hielt, eine kurze Erklärung nachzureichen.
»Es ist das erste Mal.«
»Dass du ein Bad nehmen kannst?«, spottete Dun.
»Nein.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe noch nie etwas anderes gesehen als die
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