Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
einer heftigen Bewegung das Schwert in die Scheide.
Dun blickte ihn fragend an.
»Esyld. Ihr Vater hat den Aufstand von Emeris aus organisiert, während ich …«
Tränen stiegen ihm in die Kehle, er konnte nicht weitersprechen. Mit geballten Fäusten trat er einen Schritt auf Daermon zu.
»… während ich an deiner Seite kämpfte und sie verriet«, fuhr er schließlich fort. »Für mich zählte nur Reyes. Und mein Wunsch, ihm mein Schwert tief ins Herz zu treiben.« Seine Augen glitzerten verräterisch. »Ich war blind. Ich habe es nicht wahrhaben wollen. Ignorant, jung und dumm. Reyes war gar nicht verantwortlich. Genau wie du. Du warst immer nur ein …«
Beim Anblick von Duns bleichem, vom Trinken gezeichneten Gesicht brach er ab und sackte auf dem Kies in sich zusammen.
»Ich habe sie geliebt. Ich habe sie schon immer geliebt«, sagte er leise und wandte sich ab, um seine Tränen zu verbergen. Mit seinem einsamen Kampf gegen die Luft und die Fackeln hatte er versucht, seinen Schmerz zu betäuben, doch der Anblick seines früheren Meisters brachte jeden Kampfgeist in ihm zum Erlöschen. Zum ersten Mal im Leben fürchtete er zu versagen.
»Sie ist hier, Sumpfschnepfe. Und sie wird heiraten …« Er ballte die Fäuste. »Sie heiratet Azdekis Sohn«, stieß er hervor. »Also wo ist hier die wahre Ironie?«
Erneut wurde er wütend. Er atmete tief ein, drehte sich um und begegnete Duns erloschenem Blick.
»Sag es mir«, bat er mit fester Stimme.
Logrid! Du verfluchter Schweinehund! Logrid!
Laerte verzog das Gesicht. Ein merkwürdiger Schmerz bohrte sich in seine Schulter, ließ aber schnell wieder nach. Eine Erinnerung. Jemand hatte ihn verflucht.
»Du bedeutest mir nichts«, erklärte Dun tonlos. »Der Junge, den ich liebte, hieß Grenouille. Aber du hast ihn getötet. Dafür sollte ich dich verfluchen.«
»Das hast du doch längst getan«, erwiderte Laerte.
Logrid!
Duns Gesicht verdüsterte sich. Zögernd kehrte die Erinnerung zurück. Er begriff. Alles bekam seinen Sinn durch das, was in den letzten Momenten des Kaiserreichs geschehen war.
Konnte er sich überhaupt vorstellen, wie Laerte an diesem Tag gelitten hatte? Hatte er auch nur die geringste Ahnung, was der Junge an den folgenden Tagen durchgemacht hatte? Plötzlich schwand der Hass aus den Augen des alten Mannes, und Laerte glaubte gar, einen Anflug des früheren Leuchtens in ihnen zu entdecken. Eines Leuchtens, das immer dann in ihnen aufgeflackert war, wenn er sich Sorgen um Grenouille machte.
»Ja«, nickte Laerte. »Am Vorabend von Reyes’ Sturz hast du mich verflucht.«
An jenem Tag kam Laerte gerade von Dun. Für den nächsten Tag war der Angriff auf die Kaiserstadt geplant. Die Aufständischen befanden sich deutlich im Vorteil. Aladzio gab vor, nicht in der Lage zu sein, das Werk zu vollenden, das den Kaiserlichen zu einem klaren Sieg verholfen hätte. Die Aufständischen hingegen hatten die Pläne des Erfinders Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt. Kanonen wurden rings um Emeris in Aufstellung gebracht und würden schon sehr bald ihren Donner hören lassen.
Laerte war auf dem Weg in seine Gemächer. Erregt stellte er sich die Raserei des letzten Gefechts vor. Er selbst würde in dieser Stunde durch die Gänge des Palasts zum dann völlig verängstigen Kaiser laufen. Er würde ihm die Maske vom Gesicht reißen, ihm fest in die Augen sehen und sich an seiner Panik weiden, wenn der Herrscher begriff, wer er war.
Und dann?
Laerte fühlte sich merkwürdig hilflos, wenn er sich vorstellen wollte, wie er sein Schwert ins Herz des Tyrannen bohrte. Was würde danach geschehen?
Er erreichte seine Zimmertür. Der Gang war leer. Alle Schüler befanden sich im Refektorium. Laerte, der zum Ritter geschlagen worden war, nachdem er bereits Kampferfahrung an der Seite des großen Generals Daermon hatte vorweisen können, war von den für die anderen Schüler verpflichtenden gemeinsamen Mahlzeiten befreit.
Er streckte die Hand zum Türknauf aus und wollte ihn eben herunterdrücken, als er plötzlich von hinten heftig in sein Zimmer gestoßen wurde. Benommen fand er sich am Bettrand wieder. Die Zimmertür hinter ihm wurde leise geschlossen. Instinktiv griff er nach seinem Schwert, hatte jedoch keine Zeit mehr, es zu ziehen. Eine harte Faust griff nach seinem Unterarm und verdrehte ihn schmerzhaft. Laerte schrie auf. Die Faust drehte ihm den Arm auf den Rücken. Laerte richtete sich trotz der Schmerzen auf, biss die Zähne zusammen,
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