Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
er sogar hin. Er fluchte. Sein Schwertarm begann unkontrolliert zu zittern, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Hatte er tatsächlich seine ganze Geschicklichkeit eingebüßt?
»Du willst wieder einmal mit dem Kopf durch die Wand«, stellte eine Stimme von der Tür aus fest.
Dun sah sich um. An der Türfüllung lehnte Laerte mit verschränkten Armen. Hatte er schon die ganze Zeit dort gestanden und ihn bei seinem lächerlichen Tun beobachtet?
»Erstens stehst du nicht sicher, und zweitens sind deine Bewegungen zu hastig«, fuhr Laerte mit erstaunlich sanfter Stimme fort.
Er trat auf Dun zu. Der alte Mann suchte seinen Blick, doch Laerte hatte nur Augen für die sagenhafte Waffe. Er ergriff Duns Handgelenk, half ihm, das Schwert genau vor sich zu halten, und unterdrückte das Zittern.
»Immer gerade halten. Und leicht in die Knie gehen, um sicheren Stand zu haben«, sagte er leise. »Dein Bein war zu stark angespannt. So läufst du Gefahr, dass dir die Sehne durchtrennt wird oder man es dir mit einem Knüppel bricht.«
Endlich wechselten sie einen Blick, dem Laerte jedoch nicht standhielt. Wie traurig Dun aussah! Seine Züge mit den aufgedunsenen Tränensäcken unter den Augen wirkten mitgenommen.
»Ein großer Ritter hat mir diese Tricks beigebracht«, schmunzelte Laerte. »Ich weiß nicht, ob ich je ein guter Schüler war und auch nicht, ob er jemals stolz auf die Bemühungen war, die ich Tag für Tag unternahm.«
Langsam ging er zum Haus zurück.
»Dass ich ihn zu hassen glaubte, lag zweifellos einzig an dem, wofür er stand – nicht an dem, was er war. Heute ist mir das klar.«
Er hatte die Tür noch nicht ganz erreicht, als Dun leise seinen Namen aussprach.
»Grenouille …«
Zum ersten Mal, seit sie sich wiedergefunden hatten, sprach er den Namen ohne Feindseligkeit aus.
Laerte drehte sich um. Sein ehemaliger Meister hatte das Schwert abgelegt und richtete sich eben wieder auf. Eraëd funkelte im Licht des heraufdämmernden Tages.
»… bist du es?«, fragte Dun mit zugeschnürter Kehle.
Er wirkte unendlich müde. In seinen Augen standen Tränen.
»Dann bist du also Grenouille?«
Laerte antwortete nicht. Er verstand die Bedeutung der Worte und spürte ihr Gewicht tief in seinem Herzen. Mit schweren, unsicheren Schritten kam Dun näher. Als er unmittelbar vor dem jungen Mann stand, griff er ihm in den Nacken.
»So viele Jahre dachte ich, du wärst tot.«
»Ich weiß.«
»Ich glaubte, dich für immer verloren zu haben.«
»Ich weiß.«
Ein hartes Schluchzen entrang sich der Kehle des alten Mannes.
»Dann bist du also Grenouille?«, erkundigte er sich erneut.
Laerte bemühte sich um eine würdige Haltung, doch es fiel ihm schwer, keine Gefühle zu zeigen.
»Ja, ich bin es.«
Nun war es um Dun geschehen. Er weinte hemmungslos um sein vertanes Leben, um seinen Verfall und um die verlorenen Jahre, in denen er ständig an den Jungen gedacht hatte. Er schloss Laerte in die Arme und presste ihn fest an sich. Nie wieder sollte ihm der Junge entwischen. Laerte versteifte sich, doch dann umarmte er seinen alten Meister ebenfalls.
Dieser Mann hatte ihn alles gelehrt und ihm alles gegeben, ohne auch nur eine Sekunde an seinen Absichten zu zweifeln. Er selbst hatte ihn verurteilt, ohne ihn wirklich zu kennen, sich jedoch im Lauf der Jahre an ihn gewöhnt und ihn schließlich sogar schätzen gelernt.
Die Sonne ging auf und vergoldete die Dächer Masalias, und mit einem Mal sah Laerte klar. Dieser Mann hatte nie aufgehört, ihn zu lieben, wie ein Vater seinen Sohn liebt – ganz gleich, wie unverschämt er sich ihm gegenüber auch gezeigt hatte.
In dieser Umarmung fanden sie sich endlich wieder.
»Dies ist ein Augenblick, der nur ihnen allein gehören sollte«, sagte Rogant leise.
Viola, die am Fenster ihres Zimmers stand, schrak zusammen. Rogant musterte sie kritisch. Sie hatte ihn nicht eintreten hören, weil sie viel zu beschäftigt gewesen war, die beiden Männer zu belauschen.
»Mir ist nur wichtig, dass alles gut verläuft«, verteidigte sie sich.
»De Page hat alles für Duns Abreise am Abend der Nacht der Masken in die Wege geleitet. Er wird sich uns nicht in den Weg stellen und ist ohnehin nur noch ein alter Mann.«
»Darum geht es nicht«, gab sie zurück. »Es ist Laerte, der mich beunruhigt. Er hätte sich nicht zeigen dürfen. Diese Geschichte geht ihm unter die Haut.«
»Es ist nicht Dun, der Laerte unter die Haut geht, das kannst du mir glauben«, entgegnete Rogant.
Erneut
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