Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Staubschicht. Die Luft war trotz der Schießscharten schlecht und verbraucht. In einer Ecke stand ein wackliger Tisch an dem ein Mann in noch schlechterem Zustand saß. Er hob das zerknitterte Gesicht, und auf seinen Lippen erschien ein glückliches Lächeln. Die weißen Haare auf seinem runden Kopf standen nach allen Seiten ab. Hinter ihm, am Ende einer gewölbten Mauer, führte eine Treppe nach oben, neben ihm am Boden befand sich eine kleine Falltür. Laerte schloss die Tür hinter sich. Der Greis lachte laut auf.
»Da sind Sie ja«, rief er und klatschte in die arthritischen Hände. »Ja, dieser Duft. Der gute Duft des edlen Herrn. Und außerdem …«
Er schnüffelte. Als er näher kam, sah Laerte, dass seine Augen vollständig weiß waren.
»Grauer Star«, erklärte De Page. »Beachte ihn einfach nicht. Er ist verrückt.«
»… ein Mann mit einem Schwert?«, freute sich der Alte. »Verständig. Er ist sehr verständig. Das schon. Aber leider nicht ausreichend.«
»Halt den Mund, dummer Mönch«, fuhr De Page ihn an. »Wir sind nicht gekommen, um dein verrücktes Zeug anzuhören.«
Noch nie hatte Laerte ihn so autoritär erlebt, und er behielt seine strenge Miene auch bei, als er sich zu seinem Begleiter umwandte.
»Bruder Galapa war mit der Bewachung dieses Klosters betraut. Ein verrückter Alter, der nie bemerkt hat, auf welchem Schatz er da saß.«
»O doch«, widersprach Galapa, immer noch lächelnd. »Ich wusste es. Aber mir hört ja nie jemand zu. Galapa sieht nichts? Ganz im Gegenteil. Er hat alles gesehen. Und er hat viele Dinge gehört.«
De Page erschien zunächst unwirsch, beruhigte sich aber schnell wieder und legte Laerte eine Hand auf die Schulter.
»Komm mit. Aladzio ist unten.«
Er ging zur Falltür und hob sie hoch. Im Dunkel flackerte ein Licht. De Page bückte sich, um hinunterzusteigen.
»Alles ist da unten, immer schon«, grinste Galapa und rieb sich die Hände. »Der kleine Ritter wird dort unten interessante Dinge entdecken. Stand es geschrieben? O ja, ganz sicher tat es das. Ja, bestimmt.«
Der alte Mönch wackelte mit dem Kopf und lachte leise. Laerte warf ihm einen letzten Blick zu, ehe auch er sich durch die Falltür zwängte.
Die Treppe war breiter, als es von oben den Anschein hatte. Mit jeder Stufe konnte er sich überdies ein Stück aufrichten. De Page wartete am Beginn eines finsteren Gangs. An den feuchten Wänden zischten Fackeln. Ihr Licht flackerte über schwere Steine, in deren Zwischenräumen schwärzlicher Schmutz klebte.
Sie gingen den Tunnel entlang bis zu einer dunklen Nische.
»Hier ist es«, erklärte De Page.
Er beugte den Kopf und betrat die düstere Höhlung. Eine offenbar uralte Tür knarrte. Nach kurzem Zögern folgte Laerte. Die Tür führte in einen großen, recht seltsamen Raum, in dem es nach Pfeffer und Jasmin roch. Zwischen langen, schweren Holztischen standen Kandelaber und verbreiteten ihr goldenes Licht über Stapel von Büchern. An der hohen Decke verliefen ineinanderverschachtelte Balken, von denen riesige Spinnennetze herunterhingen. Auf den Büchern standen Destilliergeräte, in denen farbige Flüssigkeiten leise blubberten.
Der völlig überraschte Laerte griff instinktiv nach seinem Schwert, beruhigte sich aber sofort wieder. Das hübsche Gesicht des Fräuleins kannte er. Ihre grünen Augen strahlten im sanften Kerzenlicht.
»Hast du Viola etwa nicht erkannt?«, grinste der Herzog und klopfte ihm amüsiert auf die Schulter. »Viola Aguirre?«
Laerte musterte die junge Frau. Als er sie vor einigen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, war sie noch ein kleines Bauernmädchen gewesen. Inzwischen aber hatte sie sich zu einem hübschen Weib gemausert. Sie hatte das rote Haar in ihrem zarten, milchweißen Nacken zusammengebunden. Nur einige widerspenstige Locken fielen ihr ins Gesicht. Ihre Wangen unter den schüchternen Augen waren mit Sommersprossen getupft. Trotz ihres einfachen braunen Kleids strahlte sie eine gewisse Eleganz aus.
Nicht, dass sie es ihm besonders angetan hätte – er staunte nur über ihre Verwandlung. Auch er selbst hatte sich vermutlich verändert, denn die Jahre des Umherirrens mussten Spuren hinterlassen haben.
»Sie besitzt unser ganzes Vertrauen. Sie ist jetzt Historikerin«, strahlte De Page stolz und ging zwischen den mit Manuskripten vollgepackten Tischen hindurch auf sie zu.
Viola errötete und begrüßte Laerte mit einem ungeschickten Knicks. Als sie sich schließlich fast getraut hätte, ihn
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