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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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musst schon bald wieder fort, nicht wahr?«
    Dun antwortete nicht, sondern betrachtete den Teil des Palasts, über dem die Wohnung seiner Geliebten lag. Die ehemals goldenen Dächer wurden allmählich grünlich, und ein Stück weiter erhoben sich die hohen, weißen Häuser der Stadt.
    »Wie ist er …«
    Mit abwesendem Blick drehte er sich zu ihr um.
    »Ich meine den Jungen aus den Salinen. Hier wird viel geredet, weißt du?«, fuhr sie mit spöttischem Unterton fort. »Deine Abenteuer sind in aller Munde. General Dun-Cadal ist zum Mythos geworden. Du hast dich nicht damit begnügt, für das Kaiserreich zu kämpfen – du musstest dich auch noch in den Köpfen breitmachen.«
    »Die Sache liegt ganz anders, als du glaubst.«
    »Steht etwa geschrieben, dass du ein Kind mitbringen würdest?«
    »Mildrel!«
    »Geschrieben in einem Buch, das niemals jemand zu Gesicht bekommen, geschweige denn darin gelesen hat?«, fügte sie verbittert hinzu.
    Dun antwortete nicht sofort. Das Liaber Dest hatte immer schon für Unstimmigkeiten zwischen ihnen gesorgt. Mildrel vertraute nicht auf das Heilige Buch und kritisierte Duns Glauben bei jeder Gelegenheit. Wenn sie sich vor einer Schlacht Sorgen um sein Wohlergehen machte, rechtfertigte er alle Risiken, die er einging, mit seinem Fatalismus. Für Mildrel jedoch war ein Glaube, der sich auf ein längst verlorenes Buch stützte, einen Beweis völliger Ignoranz. Sie war ein bodenständiger Mensch, nahm mit dem Klatsch und Tratsch bei Hofe vorlieb und hielt es für unnötig, sich für den Ursprung der Welt zu interessieren. Die Süße des Göttlichen kostete sie am liebsten in ihrem wohlig weichen Bett, und Ideen und Träume überließ sie denjenigen, die nicht von ganzem Herzen lieben konnten. Die unterschiedlichen Ansichten von Mildrel und Dun bildeten manchmal einen Prüfstein für ihre Liebe, und doch war sie zu tief, um an solchen Streitereien zu scheitern.
    »So ist es. Die Götter haben unser Leben vorausbestimmt. Dass das Heilige Buch verloren gegangen ist, bedeutet nicht, dass es nicht existiert. Ganz gleich, ob es dir passt oder nicht.«
    »Und der Junge? Steht auch geschrieben, dass du ihn aus einem Sumpf holen solltest?«
    Dun hob eine Augenbraue.
    Mildrel richtete sich im Bett auf. »Ich würde ihn gern bald kennenlernen«, sagte sie lächelnd.
    In ihren Augen jedoch lag Trauer. Dun wusste, was sie schmerzte, aber er konnte nicht darüber sprechen. Es ging ihn nichts an.
    »Er ist nur mein Schüler.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so teilnahmsvoll sein kannst. Du holst einen Waisenjungen aus den Salinen, bringst ihm bei, was du beherrschst, kümmerst dich um ihn und wachst über sein Wohlergehen wie ein Va…«
    »Ich muss jetzt gehen«, unterbrach er sie kalt. »Wir bleiben noch ein paar Tage in Emeris, ehe wir in den Vershan weiterziehen. Wir sehen uns.«
    Er griff nach seinem Hemd und streifte es über.
    »Was ist anders an ihm als an anderen?«
    »Er braucht mich.«
    »Ich brauche dich auch. Ich möchte nicht mein Leben lang Kurtisane bleiben«, flüsterte Mildrel.
    »Du gehörst mir nicht.«
    »Aber ich könnte dir gehören.«
    Mit dem Brustharnisch in der Hand hielt er inne und betrachtete sie mit einem seltsamen Blick. Sofort senkte sie die Augen wie ein bei einem Fehler ertapptes Kind.
    Wortlos zog er sich weiter an, dann ging er zur Tür. Im Hinausgehen drehte er sich um und warf ihr einen letzten Blick zu.
    »Wir sehen uns.«
    Er wartete kurz darauf, dass sie es bestätigte oder ihn bat, doch länger zu bleiben, aber Mildrel schwieg. So war es immer gewesen, und es würde sicher so bleiben. Sie konnten nicht aufeinander verzichten, doch die gemeinsamen Stunden endeten stets irgendwann. Er zog in die Schlacht, und sie konnte nichts dagegen tun. Sie würde vielleicht für ihn beten. Und jedes Mal, nachdem er fortgegangen war, legte sie die Hände auf ihren Bauch und hoffte, dass vielleicht dieses Mal dort ein Leben heranwachsen würde, damit sie wenigstens einen Teil von ihm bei sich behalten konnte.

    Langsam schlenderte Dun durch die langen Flure des Palasts. Er genoss die Ruhe, auf die er so lange hatte verzichten müssen. Schließlich betrat er einen großen, mit Säulen umstandenen Innenhof. Erneut fielen ihm seine ersten Schritte in diesem Palast ein. Er hatte die Schule absolviert und die Kriegskunst erlernt, war aber als untauglich für die Übernahme eines eigenen Kommandos erachtet worden. Unwillkürlich musste er lächeln. Wie ungewöhnlich sein

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