Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Hoheit!«
»Umso schlimmer für sie«, lachte der Kaiser. »Obendrein auch noch ein Junge!«
»Er ist sehr begabt und wird eines Tages ein großer Ritter werden, dessen bin ich ganz sicher. Ich hätte ihn Euch gern ausführlicher vorgestellt. Euch gegenüberzutreten hat ihn sehr aufgewühlt.«
»Ich werde ihn beglückwünschen, sobald Ihr zurückkehrt«, seufzte der Kaiser. »Alle beide.«
Also hatte er Duns Zögling anerkannt und ihn unter seinen Schutz gestellt. Der Junge würde ihn begleiten, wenn er es für richtig hielt. Reyes stand langsam auf und wandte den Kopf zum Balkon.
»Es tut mir sehr leid, dass ich Euch so schnell wieder in den Krieg schicken muss, mein Freund.«
Das Rauschen von Flügeln hallte durch den Saal. Beim Abflug der großen Vogelschar bewegten sich die Baumwipfel unter dem Balkon.
Das Kaiserreich erbebte. Ein Gebiet nach dem anderen erhob sich gegen den Herrscher. Inzwischen war aus der Revolte längst mehr als ein einfacher Aufstand geworden. Nie zuvor war die Macht in solchem Maß bedroht gewesen. Aber wen sollte man dafür verurteilen? Schließlich war es das Volk, das sich gegen seinen Anführer auflehnte. Kinder, wie der Kaiser sie genannt hatte. Wütende Kinder.
Dun ging einen der endlosen Palastflure entlang und versuchte, die Beweggründe zu verstehen. Die große Mehrheit der Untertanen hatte ausreichend zu essen, die Steuern waren nicht übertrieben hoch, und die Bauern hatten keinen anderen Lehnsherrn als das Kaiserreich. Der Kaiser sorgte dafür, dass niemand übersehen wurde und Gerechtigkeit herrschte. Seine Familie war von den Göttern erwählt worden, und sein außergewöhnliches Schicksal stand geschrieben. Wer an diesen Tatsachen zweifelte, beleidigte die Götter.
Als er endlich die Holztür aufstieß, die zu öffnen er sich seit einem Jahr erträumt hatte, suchte er nicht mehr nach Antworten. Jetzt und hier zählte nur noch der zarte Lavendelduft, der ihn umhüllte.
»Ich hatte schon munkeln hören, dass du zurückgekommen bist«, sagte eine strenge Stimme. »Aber ich habe es nicht geglaubt.«
Dun stürmte durch das Zimmer, umarmte die Frau, die am Fenster stand, und küsste sie innig. Sie stieß ihn heftig zurück. Als er versuchte, sie einen Augenblick an sich zu pressen, versetzte sie ihm eine Ohrfeige.
»Der Empfang in Emeris ist auch nicht mehr das, was er einmal war«, brummte er und rieb sich die Wange.
»Hundesohn!«, schimpfte sie, stapfte mit wütenden Schritten durch den Raum und schloss die Tür. »Warum hast du mir nicht wenigstens geschrieben?«
»Wozu denn? Wie ich sehe, bist du auch ganz gut ohne mich zurechtgekommen.«
Dun ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, das er ohne anzuklopfen betreten hatte. Neben dem großen Himmelbett standen zwei edel gearbeitete Nachttische, die Wände waren mit roten, goldumsäumten Wandbehängen geschmückt. Als er Mildrel verlassen hatte, war sie nur eine Kurtisane unter vielen gewesen und verfügte weder über ein hohes Einkommen noch über Prunk und Pomp. Während seiner Abwesenheit war sie in der Gunst des Adels ebenso hoch aufgestiegen, wie sie in der ihrer Kolleginnen gesunken war. Doch für Dun war und blieb sie die einzige Frau, die ihm etwas bedeutete.
Sie trat ans Bett und strich über den grünen Überwurf.
»Ich bin nicht dein Eigentum, Dun. Du wusstest von Anfang an, auf was du dich eingelassen hast.«
»Nein, du gehörst mir nicht. Und doch habe ich dir gefehlt«, sagte er lächelnd.
»Das ist nicht wahr«, presste sie hervor.
Seine sonst so starken Hände strichen leicht über die zarte Haut ihrer Handgelenke, ehe er sanft ihre Hände nahm. Sie bewegte sich nicht. Ihre braunen Locken fielen auf ihre nackten Schultern, die vollen Lippen röteten sich. Ihre schwarz betonten Augen fixierten ihn, ohne zu blinzeln.
»Ein Jahr ohne Nachricht von dir. Ein Jahr, in dem alle Welt dich tot glaubte, du … du …«
»Ich was?«, flüsterte er und beugte sich zu ihr hinunter.
Sie beendete den Satz nicht. So lange hatte sie auf ihn gewartet! Ihre Lippen trafen sich in einem nicht enden wollenden Kuss. In ihrer Umarmung vergaßen sie alles. Jetzt zählten nur noch sie und er. Krieg und Tod waren weit fort. Viel zu lang hatten sie aufeinander verzichten müssen. Nun hörten sie nur noch auf ihre Herzen, die schnell und stark im gleichen Rhythmus pochten.
Als Dun später ans Fenster trat, ging die Sonne bereits unter. Mildrel stützte sich auf die Kissen und beobachtete ihn nachdenklich.
»Du
Weitere Kostenlose Bücher