Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
enthüllt worden war.
    »Lord Fujiwara dachte, Lady Shirakawa würde es vorziehen, heute Abend auszuruhen«, sagte Mamoru leise. »Er wird Sie morgen empfangen, wenn Ihnen das angenehm ist.«
    »Danke«, sagte Kaede. »Bitte sag Lord Fujiwara, ich bin ganz zu seinen Diensten. Ich werde tun, was er wünscht.«
    Schon war ihr eine gewisse Spannung aufgefallen. Mamoru hatte ohne Zögern ihren Namen gebraucht, hatte sie bei ihrer Ankunft kurz gemustert, als wollte er jede Veränderung an ihr wahrnehmen, doch seither hatte er sie gar nicht mehr angeschaut. Aber sie wusste bereits, wie viel er an ihr bemerkte, ohne sein Interesse zu verraten. Sie richtete sich auf und sah ihn mit einem Anflug von Hochmut an. Sollte er sie doch beobachten, so viel er wollte, um ein Beispiel für die Rollen zu haben, die er auf der Bühne spielte. Er würde nie etwas anderes sein als eine Fälschung dessen, was sie war. Sie kümmerte sich nicht darum, was er von ihr hielt. Aber ihr war wichtig, was Fujiwara dachte. Er muss mich verachten, sagte sie sich, aber wenn er das auch nur durch das Zucken einer Augenbraue zeigt, werde ich sofort gehen und ihn nie wieder sehen, gleichgültig, was er für mich tun könnte.
    Sie war erleichtert, dass die Begegnung verschoben werden sollte. Ishida besuchte sie und prüfte ihren Puls und die Augen. Er sagte, er werde eine neue Art Tee zubereiten, der das Blut reinige und den Magen stärke, Shizuka solle den Tee am nächsten Tag bei ihm abholen.
    Ein heißes Bad war vorbereitet und Kaede wurde es nicht nur vom Wasser warm, sondern auch vom Neid auf die Menge Holz, die dafür zur Verfügung stand. Danach brachten Dienerinnen, die kaum etwas sagten, eine Mahlzeit in ihr Zimmer.
    »Es ist das traditionelle Wintermahl für Damen«, rief Shizuka, als sie die Delikatessen der Saison sah, rohe Meerbrasse und Tintenfisch, gegrillten Aal mit grüner Minze und Meerrettich, eingelegte Gurken und gesalzene Lotuswurzeln, seltene schwarze Pilze und Kletten, alles auf den Lacktabletts dekorativ angerichtet. »Das essen sie in der Hauptstadt. Ich möchte wissen, wie viele andere Frauen in den Drei Ländern heute Abend etwas so Köstliches essen!«
    »Hier ist alles köstlich«, sagte Kaede und dachte: Wie leicht ist es, Luxus und Geschmack zu haben, wenn man Geld hat!
    Sie hatten gegessen und dachten schon ans Schlafengehen, als an die Tür geklopft wurde.
    »Die Dienerinnen wollen die Betten vorbereiten.« Shizuka ging zur Tür, schob sie auf und sah Mamoru draußen stehen. Schneeflocken waren in seinen Haaren.
    »Verzeihung«, sagte er. »Aber der erste Schnee des Jahres fällt. Lord Fujiwara wünscht Lady Shirakawa zu besuchen. Die Aussicht von diesem Pavillon ist besonders schön.«
    »Das ist Lord Fujiwaras Haus«, sagte Kaede. »Ich bin sein Gast. Was immer ihm Freude bereitet, freut auch mich.«
    Mamoru ging und sie hörte ihn mit den Dienerinnen sprechen. Kurz darauf kamen zwei von ihnen mit warmen roten gesteppten Gewändern, die sie ihr anlegten. Von Shizuka begleitet ging sie hinaus auf die Veranda. Tierhäute waren über Kissen gebreitet worden, darauf konnten sie sich setzen. Laternen hingen von den Bäumen und beleuchteten die fallenden Flocken. Der Boden war schon weiß. Ein Felsgarten lag unter zwei Kiefern, deren Äste so beschnitten und schön gebogen waren, dass sie die Aussicht einrahmten. Hinter ihnen war die dunkle Masse des Berges durch den wirbelnden Schnee gerade noch sichtbar. Kaede schwieg, fasziniert von der Schönheit des Anblicks, seiner stillen Reinheit.
    Lord Fujiwara näherte sich so leise, dass sie ihn kaum hörten. Beide knieten sich vor ihn.
    »Lady Shirakawa«, sagte er, »ich bin Ihnen so dankbar. Erstens für Ihre Bereitschaft, mein einfaches Heim zu besuchen, und zweitens für Ihre Nachsicht gegenüber meiner Laune, den ersten Schnee mit Ihnen anzuschauen. Bitte setzen Sie sich auf«, fügte er hinzu. »Sie müssen sich warm einpacken; Sie dürfen sich nicht erkälten.«
    Diener folgten ihm mit Kohlenpfannen, Weinflaschen, Bechern und Pelzen. Mamoru nahm einen der Pelze und legte ihn Kaede über die Schultern, dann hüllte er Fujiwara, der sich neben sie setzte, in einen anderen. Kaede streichelte den Pelz mit einer Mischung aus Entzücken und Abscheu.
    »Sie kommen vom Festland«, erklärte Fujiwara, nachdem sie die förmliche Begrüßung ausgetauscht hatten. »Ishida bringt sie mit, wenn er dort auf seine Expeditionen geht.«
    »Welches Tier ist das?«
    »Irgendein Bär, glaube

Weitere Kostenlose Bücher