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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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entgegennahm. Sie war sich des Mannes neben ihr, der flüchtigen Berührung ihrer Hände sehr bewusst. Der verträumte Blick hatte etwas in ihr ausgelöst. Während Kaedes Krankheit hatten sie viele Stunden miteinander verbracht und sie hatte gelernt, seine Geduld und sein Geschick zu bewundern. Er war gütig, im Gegensatz zu den meisten Männern, die sie gekannt hatte.
    »Werden Sie morgen wiederkommen?« Unter gesenkten Wimpern warf sie ihm einen Blick zu.
    »Natürlich. Du kannst mir Lady Kaedes Antwort auf den Brief geben. Wirst du sie zu Lord Fujiwara begleiten?«
    »Natürlich!« Spielerisch wiederholte sie seine Antwort. Er lächelte und berührte sie wieder, jetzt absichtlich, am Arm. Der Druck seiner Finger ließ sie erschauern. Es war so lange her, seit sie mit einem Mann geschlafen hatte. Plötzlich hatte sie den starken Wunsch, seine Hände überall auf ihrem Körper zu spüren; am liebsten hätte sie sich mit ihm hingelegt und ihn gehalten. Er verdiente es für seine Güte.
    »Bis morgen.« Sein Blick war herzlich, als hätte er ihre Gefühle erkannt und teile sie.
    Shizuka schlüpfte in ihre Sandalen und lief davon, um die Diener mit der Sänfte zu rufen.

    Kaedes Fieber ließ nach und bis zum Abend hatte sie etwas von ihrer Energie wiedergefunden. Den ganzen Tag hatte sie ruhig und warm unter einem großen Stapel aus Decken neben einer Kohlenpfanne gelegen, die Ayame unbedingt anzünden wollte, und über die Zukunft nachgedacht. Takeo konnte tot sein, auf jeden Fall war sein Kind tot: Ihr Herz hatte nur den Wunsch, den beiden in die nächste Welt zu folgen, aber ihr Verstand sagte ihr, es wäre reine Schwäche, ihr Leben wegzuwerfen und die Menschen zu verlassen, die von ihr abhingen. Eine Frau mochte sich so verhalten, ein Mann in ihrer Stellung würde es nie tun.
    Shizuka hat Recht, dachte sie, ich kenne nur einen Menschen, der mir jetzt helfen kann. Ich muss sehen, welche Übereinkunft sich mit Fujiwara treffen lässt.
    Shizuka gab ihr den Brief, den Ishida am Morgen gebracht hatte. Fujiwara hatte auch Geschenke zum neuen Jahr geschickt, besonders geformte Reiskuchen, getrocknete Sardinen und süße Kastanien, Algenrollen und Reiswein. Hana und Ai halfen in der Küche bei den Vorbereitungen fürs Festmahl.
    »Er schmeichelt mir, er schreibt in Männerschrift und erklärt, er wisse, dass ich sie entziffern könne«, sagte Kaede. »Aber es gibt so viele Schriftzeichen, die ich nicht kenne.« Sie seufzte tief. »Es gibt so viel, was ich lernen muss. Ob da ein Winter reicht?«
    »Gehen Sie zu Lord Fujiwara?«
    »Wahrscheinlich. Er könnte mich unterweisen. Glaubst du, er würde es tun?«
    »Nichts lieber als das«, sagte Shizuka trocken.
    »Ich glaubte, er wolle nichts mehr mit mir zu tun haben, aber er schreibt, er warte auf meine Gesundung. Mir geht es besser - so gut, wie es mir nur gehen kann.« Kaede klang zweifelnd. »Es muss mir besser gehen. Ich muss mich um meine Schwestern kümmern, mein Land, meine Leute.«
    »Wie ich schon so oft gesagt habe, ist Fujiwara dabei Ihr bester Verbündeter.«
    »Vielleicht nicht der beste: der einzige. Aber ich traue ihm nicht wirklich. Was will er von mir?«
    »Was wollen Sie von ihm?«, entgegnete Shizuka.
    »Das ist einfach. Einerseits Unterricht, andererseits Geld und Lebensmittel, um eine Armee aufzubauen und zu ernähren. Aber was biete ich ihm als Gegenleistung an?«
    Shizuka fragte sich, ob sie Fujiwaras Heiratswunsch erwähnen solle, entschied sich aber dagegen, weil sie fürchtete, es könne Kaede so beunruhigen, dass sie wieder fieberte. Der Edelmann sollte lieber für sich selbst sprechen. Sie war überzeugt, dass er es tun würde.
    »Er redet mich als Lady Shirakawa an. Ich schäme mich, ihm gegenüberzutreten, nachdem ich ihn getäuscht habe.«
    »Er wird von den Wünschen Ihres Vaters im Hinblick auf Ihren Namen gehört haben«, sagte Shizuka. »Jeder weiß, dass Ihr Vater Sie zu seiner Erbin bestimmt hat, bevor er starb. Dafür haben wir gesorgt.«
    Kaede warf ihr einen raschen Blick zu, um zu sehen, ob sie spottete, aber Shizukas Gesicht war ernst. »Natürlich musste ich tun, worum mein Vater mich bat«, stimmte sie zu.
    »Dann braucht Lord Fujiwara nichts anderes zu wissen. Der Gehorsam einer Tochter kommt an erster Stelle.«
    »Das sagt mir auch Konfuzius. Fujiwara braucht nichts anderes zu wissen, aber ich nehme an, er will sehr viel mehr wissen. Das heißt, wenn er sich noch für mich interessiert.«
    »Das tut er sicher.« Shizuka fand

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