Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
mit ihr.«
    »Sie hat keine Familie.« Ich spürte, wie der Zorn in mir anfing zu kochen.
    »Sei kein Narr, Takeo. Jeder hat eine Familie, besonders unverheiratete Mädchen, die große Domänen erben.«
    »Ich habe sowohl das gesetzliche Recht wie die moralische Pflicht, sie zu heiraten, weil sie mit meinem Stiefvater verlobt war.« Mein Ton wurde hitziger. »Es war Shigerus ausgesprochener Wille, dass ich das tue.«
    »Sei mir nicht böse«, sagte Makoto nach einer Pause. »Ich kenne deine Gefühle für sie. Ich sage nur, was dir jeder sagen wird.«
    »Sie liebt mich auch!«
    »Liebe hat mit Heirat nichts zu tun.« Er schüttelte den Kopf und schaute mich an, als wäre ich ein Kind.
    »Nichts wird mich daran hindern! Sie ist hier. Ich lasse sie mir nicht wieder wegnehmen. Wir werden noch in dieser Woche heiraten.«
    Die Tempelglocke läutete. Ein älterer Mönch ging durch den Garten und betrachtete uns missbilligend. Makoto hatte während unserer Auseinandersetzung die Stimme gesenkt, doch ich hatte laut und voller Inbrunst gesprochen.
    »Ich muss zur Meditation«, sagte er. »Vielleicht solltest du auch hingehen. Nachdenken über das, was du vorhast, bevor du handelst.«
    »Ich habe mich entschieden. Geh und meditiere! Ich sage es Kahei. Und dann werde ich mit dem Abt reden.«
    Der Zeitpunkt war schon verstrichen, zu dem ich normalerweise allmorgendlich für zwei Stunden Schwerttraining zu ihm ging. Eilig suchte ich die Brüder Miyoshi und holte sie auf dem Weg ins Tal zu einem Waffenmeister ein.
    »Lady Shirakawa?«, fragte Kahei. »Kann man sich ihr ungefährdet nähern?«
    »Warum sagst du das?«, wollte ich wissen.
    »Nimm es mir nicht übel, Takeo, aber jeder weiß von ihr. Sie bringt Männern den Tod.«
    »Nur wenn sie Lady Shirakawa begehren«, fügte Gemba hinzu und fuhr nach einem schnellen Blick auf mich fort: »Das sagen die Leute!«
    »Und sie sagen auch, sie sei so schön, dass man sie unmöglich anschauen könne, ohne sie zu begehren.« Kahei sah trübsinnig aus. »Du schickst uns in den sicheren Tod.«
    Ich war nicht zu ihren Späßen aufgelegt, aber ihre Worte überzeugten mich noch mehr davon, wie wichtig es war, dass wir heirateten. Kaede hatte gesagt, nur bei mir sei sie sicher und ich verstand warum. Nur die Heirat mit mir würde sie vor dem Fluch retten, unter dem sie zu stehen schien. Ich wusste, dass sie mir nie gefährlich werden würde. Andere Männer, die sie begehrten, waren gestorben, aber ich hatte meinen Körper mit ihrem vereinigt und lebte.
    Das alles würde ich den Brüdern Miyoshi nicht erklären.
    »Bringt sie so bald wie möglich ins Gästehaus der Frauen«, sagte ich kurz. »Sorgt dafür, dass keine Männer ihres Gefolges mitkommen und dass Kondo Kiichi und Muto Shizuka heute abreisen. Lady Shirakawa wird eine Dienerin mitbringen. Behandelt beide mit größter Höflichkeit. Sagt ihr, ich werde sie um die Stunde des Affen besuchen.«
    »Takeo ist wirklich furchtlos«, murmelte Gemba.
    »Lady Shirakawa wird meine Frau.«
    Das überraschte sie. Jetzt sahen sie, dass ich es ernst meinte, und schwiegen. Sie verbeugten sich förmlich vor mir und gingen schweigend zum Wachhaus, wo sie fünf oder sechs Männer auswählten. Sobald sie jenseits des Tors waren, machten sie ein paar Witze auf meine Kosten über Gottesanbeterinnen, die ihre Männchen auffressen - ihnen war nicht klar, dass ich sie hören konnte. Ich dachte kurz daran, ihnen nachzugehen und eine Lektion zu erteilen, aber ich kam auch so schon zu spät zum Abt.
    Ihr Lachen verklang am Hang, während ich zu der Halle lief, in der wir trainierten. Er war bereits da und trug seine Priestergewänder. Ich hatte noch die grobe Kleidung meiner nächtlichen Wanderungen an, eine Abwandlung der schwarzen Stammesuniform - knielange Hosen, Beinlinge und Stiefel mit abgeteilter großer Zehe, die sich zum Schwertkampf ebenso eigneten wie zum Erklettern von Wänden und zum Laufen über Dächer.
    Matsuda schien von seinen langen Röcken und weiten Ärmeln überhaupt nicht behindert zu sein. Ich war am Ende der Stunde meist außer Atem und durchgeschwitzt. Er blieb so kühl und gelassen, als hätte er die zwei Stunden betend verbracht.
    Ich kniete mich vor ihn, um mich für meine Verspätung zu entschuldigen. Er schaute mich fragend von oben bis unten an, sagte jedoch nichts und deutete mit dem Kopf auf die hölzerne Stange.
    Ich nahm sie aus dem Gestell. Sie war dunkel, fast schwarz, länger als Jato und viel schwerer. Seit ich damit

Weitere Kostenlose Bücher