Der Pfad im Schnee
und ein paar andere Schauspieler begleiten dich. Ich treffe dich in Matsue.«
Ich verbeugte mich schweigend. Unter den gesenkten Lidern schaute ich Akio an. Er starrte missmutig zu Boden, die Falte zwischen seinen Augen hatte sich vertieft. Er war nur drei oder vier Jahre älter als ich, doch im Moment konnte man sehen, wie er als alter Mann sein würde. Er war also ein Jongleur. Es tat mir Leid, dass ich seine geschickten Jongleurhände verletzt hatte, aber ich hielt meine Handlungen für absolut gerechtfertigt. Dennoch, der Kampf gehörte neben anderen, bitteren Gefühlen zu den Problemen, die ungelöst und schwelend zwischen uns standen.
Kotaro sagte: »Kenji, durch deine Verbindung mit Lord Shigeru bist du in dieser Angelegenheit bekannt. Zu viele Leute wissen, dass hier dein Hauptwohnsitz ist. Arai lässt dich bestimmt festnehmen, wenn du hier bleibst.«
»Ich gehe für einige Zeit in die Berge«, entgegnete Kenji. »Besuche die alten Leute, verbringe ein bisschen Zeit mit den Kindern.« Er lächelte und sah wieder aus wie mein harmloser alter Lehrer.
»Ich bitte um Entschuldigung, aber wie soll diese Person genannt werden?«, fragte Akio.
»Er kann vorübergehend einen Schauspielernamen annehmen«, sagte Kotaro. »Was sein Stammesname ist, hängt davon ab…«
Hinter seinen Worten lag etwas, das ich nicht verstand, doch Akio begriff es offenbar nur zu gut. »Sein Vater hat den Stamm abgelehnt«, brach es aus ihm heraus. »Er hat uns den Rücken gekehrt.«
»Aber sein Sohn ist mit allen Talenten der Kikuta zurückgekommen«, sagte der Meister. »Doch im Moment bist du ihm in allem übergeordnet. Takeo, du wirst Akio gehorchen und von ihm lernen.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ich glaube, er wusste, wie schwer das für mich sein würde. Kenji machte ein trübsinniges Gesicht, als würde auch er Ärger voraussehen.
»Akio verfügt über viele Fähigkeiten«, fuhr Kotaro fort. »Du musst sie erlernen.« Er wartete auf meine Zustimmung, dann schickte er Akio und Yuki hinaus. Yuki füllte erneut die Teeschalen, bevor sie ging, und die beiden älteren Männer tranken geräuschvoll. Ich nahm Küchengerüche wahr. Es kam mir vor, als hätte ich tagelang nichts gegessen. Jetzt bedauerte ich, dass ich in der vergangenen Nacht Yukis Angebot, etwas zu essen, nicht angenommen hatte; ich war schwach vor Hunger.
Kotaro sagte: »Ich habe dir gesagt, dass ich der Vetter ersten Grades deines Vaters war. Ich habe dir nicht gesagt, dass er älter war als ich und beim Tod unseres Großvaters Meister geworden wäre. Aldo ist mein Neffe und Erbe. Durch deine Rückkehr ergeben sich Fragen der Erb- und Rangfolge. Wie wir sie lösen, hängt von deinem Verhalten in den nächsten Monaten ab.«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was er meinte. »Akio wurde im Stamm erzogen«, sagte ich langsam. »Er weiß alles, was ich nicht weiß. Es muss viele andere wie ihn geben. Mir liegt nichts daran, seinen Platz oder den eines anderen einzunehmen.«
»Es gibt viele«, entgegnete Kotaro, »und alle sind gehorsamer, besser ausgebildet und verdienstvoller als du. Aber keiner hat so sehr wie du die Kikutabegabung des scharfen Gehörs und kein anderer hätte wie du allein ins Schloss Yamagata gelangen können.«
Diese Episode kam mir vor wie aus einem vergangenen Leben. Kaum konnte ich mich an den Impuls erinnern, der mich angetrieben hatte, ins Schloss zu steigen und die Verborgenen, die in Körben von den Schlossmauern hingen, von ihren Qualen zu erlösen: das erste Mal, dass ich getötet hatte. Ich wünschte, ich hätte es nie getan - wenn ich die Aufmerksamkeit des Stammes nicht so dramatisch auf mich gezogen hätte, würden sie mich vielleicht nie zu sich genommen haben, bevor… bevor… Ich schüttelte mich. Es hatte keinen Sinn, endlos zu versuchen die Fäden zu entwirren, die sich zu Shigerus Tod verwoben hatten.
»Aber jetzt, wo ich das gesagt habe«, fuhr Kotaro fort, »musst du wissen, dass ich dich in keiner Hinsicht anders behandeln kann als die anderen deiner Generation. Ich kann niemanden bevorzugen. Welche Talente du auch haben magst, sie sind nutzlos für uns, wenn wir nicht ebenso auf deinen Gehorsam zählen können. Ich muss dich nicht daran erinnern, dass du ihn mir bereits geschworen hast. Du wirst eine Woche hier bleiben. Du darfst nicht hinaus, du darfst keinen wissen lassen, dass du hier bist. In dieser Woche musst du genug lernen, um als Jongleur zu gelten. Vor dem Winter werde ich dich in
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