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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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riefen den Wachen am Tor zu: »Guten Morgen!«
    »Was habt ihr da?«, fragte einer der Wachtposten.
    »Geht dich nichts an!«
    Als Akio mich ins Haus zog, schaute ich zurück. Zwischen dem Badehaus und der Mauer konnte ich gerade das offene Tor und die Straße dahinter sehen.
    Hinter den Pferden schleppten zwei Männer zu Fuß einen Gefangenen zwischen sich. Ich konnte ihn nicht genau sehen, doch ich hörte seine Stimme. Ich hörte seine Gebete. Es war mein Ausgestoßener, Jo-An.
    Ich musste einen Satz in Richtung Tor gemacht haben, denn Akio zog mich so fest zurück, dass er mir fast die Schulter ausrenkte. Dann versetzte er mir einen lautlosen und wirksamen Schlag auf die Halsseite. Vor meinen Augen drehte sich der Raum. Immer noch schweigend zog mich Akio in das größte Zimmer, wo die Dienerin die Matten kehrte. Sie achtete gar nicht auf uns.
    Er rief etwas in die Küche, während er die Wandtür zum verborgenen Raum öffnete und mich hineinschob. Kenjis Frau kam herein und Akio schob die Tür zu.
    Sie war blass und hatte verschwollene Augen, als würde sie noch gegen den Schlaf kämpfen. Ich spürte ihre Wut, bevor sie etwas sagte. Sie schlug mir zweimal ins Gesicht. »Du kleiner Bastard! Du Idiot von einem Mischling! Wie kannst du es wagen, mir so etwas anzutun.«
    Aldo stieß mich zu Boden, er drückte mir immer noch die Arme auf den Rücken. Ich senkte ergeben den Kopf. Es schien sinnlos, etwas zu sagen.
    »Kenji hat mich gewarnt, dass du versuchen würdest auszubrechen. Ich habe ihm nicht geglaubt. Warum hast du das getan?«
    Als ich nicht antwortete, kniete auch sie sich hin und hob meinen Kopf, damit sie mir ins Gesicht sehen konnte. Ich hielt die Augen gesenkt.
    »Antworte! Bist du verrückt?«
    »Ich wollte nur sehen, ob ich es schaffe.«
    Sie seufzte verzweifelt, es klang wie bei ihrem Mann.
    »Ich bin nicht gern eingesperrt«, murmelte ich.
    »Das ist Wahnsinn«, sagte Akio zornig. »Er bedeutet eine Gefahr für uns alle. Wir sollten…«
    Sie unterbrach ihn rasch. »Diese Entscheidung kann nur der Kikutameister treffen. Bis dahin müssen wir dafür sorgen, dass er am Leben bleibt und Arai nicht in die Hände fällt.« Sie gab mir noch eine Ohrfeige, aber weniger fest. »Wer hat dich gesehen?«
    »Niemand. Nur ein Ausgestoßener.«
    »Was für ein Ausgestoßener?«
    »Ein Lederarbeiter. Jo-An.«
    »Jo-An? Der Wahnsinnige? Der den Engel gesehen hat?« Sie holte tief Luft. »Sag mir nicht, dass er dich gesehen hat.«
    »Wir haben eine Zeit lang geredet«, gab ich zu.
    »Arais Männer haben den Ausgestoßenen schon festgenommen«, sagte Akio.
    »Ich hoffe, dir ist klar, was für ein Narr du bist«, sagte sie.
    Ich senkte wieder den Kopf. Ich dachte an Jo-An, wünschte, ich hätte ihn nach Hause begleitet - falls er ein Zuhause in Yamagata hatte -, fragte mich, ob ich ihn retten könnte, und hätte gern gewusst, welchen Plan sein Gott jetzt für ihn hatte. Ich fürchte mich oft, hatte er gesagt. Habe große Angst. Mitleid und Reue verkrampften mir das Herz.
    »Finde heraus, was der Ausgestoßene ausplaudert«, sagte Kenjis Frau zu Akio.
    »Er wird mich nicht verraten«, sagte ich.
    »Unter Folter redet jeder«, antwortete Akio kurz.
    »Wir sollten zusehen, dass du früher abreist«, fuhr sie fort. »Am besten gehst du heute schon fort.«
    Akio kniete immer noch hinter mir und hielt mich an den Handgelenken fest. Ich spürte die Bewegung, als er nickte.
    »Wird er bestraft?«, fragte er.
    »Nein, er muss reisen können. Außerdem, das solltest du inzwischen gemerkt haben, machen körperliche Strafen keinen Eindruck auf ihn. Aber sorge dafür, dass er genau weiß, was der Ausgestoßene leiden muss. Sein Kopf mag stur sein, doch sein Herz ist weich.«
    »Die Meister sagen, das sei seine größte Schwäche«, bemerkte Akio.
    »Ja, ohne sie könnten wir einen zweiten Shintaro haben.«
    »Weiche Herzen können verhärtet werden«, murmelte Akio.
    »Nun, ihr Kikuta wisst am besten, wie man das macht.«
    Ich blieb auf dem Boden knien, während sie so kalt über mich sprachen, als wäre ich irgendeine Ware, vielleicht ein Fass Wein, das besonders gut sein könnte oder aber verdorben und wertlos.
    »Was jetzt?«, fragte Akio. »Soll er gefesselt werden, bis wir gehen?«
    »Kenji sagte, du hast dich entschieden, zu uns zu kommen«, sagte sie zu mir. »Wenn das stimmt, warum versuchst du dann zu fliehen?«
    »Ich bin zurückgekommen.«
    »Wirst du es wieder versuchen?«
    »Nein.«
    »Du wirst mit den Schauspielern

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