Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
deiner Ehe mit Lord Otori geworden? Sag mir nicht, er sei tot.«
    »Nicht durch meine Schuld«, sagte sie bitter. »Iida hat ihn ermordet.«
    Er presste die Lippen zusammen und wurde blass. »Wir haben hier nichts erfahren.«
    »Iida ist ebenfalls tot«, fuhr sie fort. »Arais Truppen haben Inuyama eingenommen. Die Tohan sind gestürzt.«
    Die Erwähnung von Arai beunruhigte ihn offensichtlich. »Dieser Verräter«, murmelte er und starrte in die Dunkelheit, als wären dort Geister versammelt. »Er hat Iida besiegt?« Nach einer Pause fuhr er fort: »Offenbar bin ich wieder auf der Seite der Verlierer. Meine Familie muss unter einem Fluch stehen. Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich keinen Sohn habe, der mich beerbt. Shirakawa kann vergehen, von niemandem bedauert.«
    »Du hast drei Töchter!«, entgegnete Kaede zornig.
    »Und meine Älteste ist ebenfalls verflucht - jedem Mann, der mit ihr zu tun hat, bringt sie den Tod!«
    »Iida hat Lord Otori getötet! Es war von Anfang an eine Verschwörung. Die Heirat mit mir sollte ihn nach Inuyama und in Iidas Hände bringen.« Der Regen trommelte heftig aufs Dach und stürzte von den Dachvorsprüngen. Shizuka kam leise mit weiteren Lampen herein, stellte sie auf den Boden und kniete sich hinter Kaede. Ich muss mich beherrschen, dachte Kaede. Ich darf ihm nicht alles erzählen.
    Er starrte sie verwirrt an. »Bist du nun verheiratet oder nicht?«
    Kaedes Herz raste. Nie zuvor hatte sie ihren Vater angelogen. Jetzt stellte sie fest, dass sie nicht sprechen konnte. Sie wandte den Kopf ab, als wäre sie von Kummer überwältigt.
    Shizuka flüsterte: »Darf ich sprechen, Lord Shirakawa?«
    »Wer ist sie?«, fragte er Kaede.
    »Sie ist meine Dienerin. Sie wurde mir im Schloss Noguchi zur Seite gestellt.«
    Er nickte in Shizukas Richtung. »Was hast du zu sagen?«
    »Lady Shirakawa und Lord Otori wurden heimlich in Terayama verheiratet«, sagte Shizuka leise. »Ihre Verwandte war Zeugin, doch auch sie ist in Inuyama gestorben, zusammen mit ihrer Tochter.«
    »Maruyama Naomi ist tot? Es wird immer schlimmer. Die Domäne wird jetzt an die Familie ihrer Stieftochter verloren sein. Wir können ihnen auch noch Shirakawa überlassen.«
    »Ich bin Maruyama Naomis Erbin«, sagte Kaede. »Sie hat mir alles anvertraut.«
    Er lachte kurz und freudlos. »Seit Jahren haben sie über die Domäne gestritten. Der Ehemann der Stieftochter ist ein Vetter von Iida und wird von vielen Tohan und Seishuu unterstützt. Du bist verrückt, wenn du glaubst, dass sie dich erben lassen.«
    Kaede spürte mehr, als dass sie hörte, wie Shizuka sich hinter ihr leicht bewegte. Ihr Vater war nur der Erste von vielen, von einer Armee, einem ganzen Clan, vielleicht sogar den Drei Ländern, der versuchen würde, sie bei ihren Vorhaben zu behindern.
    »Trotzdem habe ich es vor.«
    »Du wirst darum kämpfen müssen«, sagte er höhnisch.
    »Dann werde ich kämpfen.« Einige Augenblicke lang saßen sie schweigend in dem dunklen Zimmer, hinter sich den vom Regen durchweichten Garten.
    »Uns sind nur wenige Männer geblieben«, sagte er bitter. »Werden die Otori etwas für dich tun? Ich nehme an, du musst wieder heiraten. Haben sie jemanden vorgeschlagen?«
    »Es ist zu früh, daran zu denken«, sagte Kaede. »Ich bin noch in Trauer.« Sie holte so tief Luft, dass er es hören musste. »Ich glaube, ich trage ein Kind.«
    Er schaute sie wieder an, sein Blick durchdrang die Dunkelheit. »Shigeru hat dir ein Kind geschenkt?«
    Sie verbeugte sich bestätigend, zu sprechen wagte sie nicht.
    »Nun, nun«, sagte er plötzlich unangemessen heiter. »Wir müssen feiern! Ein weiterer Mann mag gestorben sein, doch sein Samen lebt. Eine bemerkenswerte Leistung!« Sie hatten gedämpft geredet, doch jetzt rief er überraschend laut: »Ayame!«
    Kaede zuckte wider Willen zusammen. Sie sah, wie sprunghaft sein Geist war, wie er zwischen Klarheit und Umnachtung pendelte. Es erschreckte sie, doch sie versuchte die Furcht zu verdrängen. Solange er ihr glaubte, würde sie sich allem Späteren stellen, wenn es so weit war.
    Ayame kam herein und kniete sich vor Kaede. »Lady, willkommen zu Hause. Verzeihen Sie uns, dass diese Heimkehr so traurig wirkt.«
    Kaede stand auf, griff nach ihren Händen und zog sie zu sich hoch. Sie umarmten sich. Die kräftige, unbeugsame Gestalt, an die sich Kaede erinnerte, war zu einer Frau geworden, die fast alt war. Doch Kaede glaubte ihren Duft zu erkennen: Er weckte plötzliche Erinnerungen an ihre

Weitere Kostenlose Bücher