Der Pfad im Schnee
gesagt hatte. Ich habe nie einen unbewaffneten Mann getötet, auch nie zum Vergnügen getötet.
Die Lords des Clans waren höchst zufrieden. Der Tod des Mannes hatte den Motor der Unruhen beseitigt. Die Dorfbewohner wurden umgehend ergeben und fügsam. Viele von ihnen würden verhungern, bevor der Winter zu Ende war. Es war ein hervorragendes Ergebnis, sagte Gosaburo.
Doch ich fing an, jede Nacht von Shigeru zu träumen. Er kam in mein Zimmer und stand vor mir, als wäre er gerade aus dem Fluss gekommen, Blut und Wasser strömten an ihm herunter, er sagte nichts und schaute mich an, als wartete er auf mich, so wie er mit der Geduld des Reihers darauf gewartet hatte, dass ich die Sprache wiederfand.
Langsam dämmerte mir, dass ich mein gegenwärtiges Leben nicht ertragen konnte, aber ich wusste nicht, wie ich ihm entfliehen sollte. Ich hatte eine Abmachung mit den Kikuta getroffen und fand es jetzt unmöglich, sie einzuhalten. Ich war die Abmachung in der Hitze der Leidenschaft eingegangen, als ich nicht erwartete, jene Nacht zu überleben, und mich selbst nicht verstand. Ich hatte gedacht, der Kikutameister, der mich zu kennen schien, würde mir helfen, die tiefen Brüche und Widersprüche meines Charakters zu lösen, doch er hatte mich mit Aldo nach Matsue geschickt, wo mein Leben mit dem Stamm mir zwar beibringen konnte, diese Widersprüche zu verbergen, aber nicht, sie zu lösen; sie wurden lediglich tiefer in mein Inneres getrieben.
Meine trübe Stimmung wurde noch düsterer, als Yuki wegging. Sie kündigte es mir nicht an, sie verschwand einfach eines Tages. Am Morgen, während wir trainierten, hörte ich ihre Stimme und ihren Schritt. Ich hörte, wie sie zur Haustür ging und uns verließ, ohne sich von jemandem zu verabschieden. Den ganzen Tag horchte ich auf ihre Rückkehr, aber sie kam nicht. Ich versuchte beiläufig herauszubekommen, wo Yuki war; die Antworten waren ausweichend und ich wollte nicht Akio oder Gosaburo direkt fragen. Sie fehlte mir sehr, doch zugleich war ich erleichtert, dass ich nicht länger vor der Entscheidung stand, ob ich mit ihr schlafen sollte oder nicht. Seit sie mir von Kaede erzählt hatte, beschloss ich jeden Tag, es nicht zu tun, und tat es jede Nacht.
Zwei Tage später, als ich bei der Meditation am Ende der morgendlichen Übungen an sie dachte, hörte ich, wie ein Dienstmädchen an die Tür kam und leise nach Akio rief. Er öffnete langsam die Augen, stand auf mit der ruhigen Gelassenheit, die er immer nach der Meditation annahm (und die meiner Meinung nach nur vorgetäuscht war), und ging zur Tür.
»Der Meister ist hier«, sagte das Mädchen. »Er wartet auf dich.«
»He, Hund«, rief Akio mir zu. Die anderen saßen da, ohne einen Muskel zu bewegen, ohne aufzuschauen, als ich aufstand. Akio machte eine Kopfbewegung und ich folgte ihm zum Hauptraum des Hauses, wo Kikuta Kotaro mit Gosaburo Tee trank.
Wir gingen hinein und verneigten uns vor Kotaro bis auf den Boden.
»Setzt euch auf.« Er musterte mich ein paar Sekunden lang. Dann wandte er sich an Akio. »Hat es irgendwelche Probleme gegeben?«
»Eigentlich nicht«, sagte Akio so, als wären sie zahlreich gewesen.
»Wie ist es mit seiner Einstellung? Hast du Grund zur Klage?« Akio schüttelte langsam den Kopf.
»Aber bevor ihr Yamagata verlassen habt…?«
Kotaro wollte mir offenbar zu verstehen geben, dass er alles über mich wusste.
»Das wurde geklärt.«
»Er ist mir sehr nützlich gewesen«, warf Gosaburo ein.
»Ich bin froh, das zu hören«, sagte Kotaro trocken.
Sein Bruder stand auf und entschuldigte sich - die Anforderungen des Geschäfts, die Notwendigkeit, im Laden zu sein. Als er gegangen war, sagte der Meister: »Vergangene Nacht habe ich mit Yuki gesprochen.«
»Wo ist sie?«
»Das tut nichts zur Sache. Aber sie hat mir etwas erzählt, das mich ein wenig beunruhigt. Wir wussten nicht, dass Shigeru nach Mino ging mit der Absicht, dich zu finden. Er ließ Muto Kenji glauben, die Begegnung sei zufällig gewesen.«
Er machte eine Pause, doch ich schwieg. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem Yuki das herausgefunden hatte, während sie mir die Haare schnitt. Sie hatte es für eine wichtige Information gehalten, wichtig genug, um sie an den Meister weiterzugeben. Zweifellos hatte sie ihm auch alles andere über mich berichtet.
»Ich nehme daher an, Shigeru wusste mehr über den Stamm, als uns klar war«, sagte Kotaro. »Stimmt das?«
»Es stimmt, dass er wusste, wer ich war«, antwortete ich.
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