Der Pfad im Schnee
von Hunden und Pferden. Doch er verschuldete sich immer mehr bei den Kikuta.
»Das könnte einer für den Hund sein«, sagte der Händler zu Akio, der einen Becher Wein mit uns trank. Wie alle außer Yuki gebrauchte er den Spitznamen, den Akio mir gegeben hatte.
Akio nahm die Schriftrolle und überflog Furodas traurige Geschichte. »Du hast ihm viel Spielraum gelassen.«
»Nun, er ist ein netter Kerl. Ich kenne ihn, seit wir Kinder waren. Aber ich kann ihm keine weiteren Zugeständnisse machen.«
»Onkel, erwartet nicht jeder die gleiche Nachsicht, wenn du ihn nicht bestrafst?«, fragte Akio.
»Das ist ja der Ärger. Momentan zahlt keiner pünktlich. Jeder denkt, er kann sich das leisten, weil Furoda damit durchkommt.« Gosaburo seufzte tief, seine Augen verschwanden fast in den Wülsten seiner Wangen. »Ich bin zu weichherzig. Das ist mein Problem. Meine Brüder sagen mir das immer wieder.«
»Der Hund ist auch weichherzig«, sagte Akio. »Aber wir bringen ihm gerade bei, es nicht zu sein. Er kann sich für dich um Furoda kümmern. Das wird ihm gut tun.«
»Wenn ihr ihn tötet, kann er nie mehr seine Schulden zahlen«, sagte ich.
»Aber alle anderen werden zahlen.« Es klang, als würde Akio einem Einfaltspinsel eine offensichtliche Wahrheit erklären.
»Oft ist es leichter, etwas von einem Toten zu fordern als von einem Lebenden«, fügte Gosaburo entschuldigend hinzu.
Ich kannte diesen unbekümmerten, vergnügungssüchtigen, unverantwortlichen Mann nicht und ich wollte ihn nicht töten. Aber ich tat es. Ein paar Tage später ging ich nachts zu seinem Haus am Rand der Stadt, brachte die Hunde zum Schweigen, machte mich unsichtbar und schlich an den Wachen vorbei. Das Haus war gut verriegelt, doch ich wartete vor dem Abort auf ihn. Ich hatte das Haus beobachtet und wusste, dass er immer in den frühen Morgenstunden aufstand, um sich zu erleichtern. Er war ein großer, korpulenter Mann, der schon lange jede körperliche Bewegung aufgegeben und die schwere Landarbeit seinen Söhnen überlassen hatte. Er war schlaff geworden. Er starb fast lautlos.
Als ich die Garotte von seinem Hals löste, hatte es angefangen zu regnen. Die Fliesen an den Wänden waren rutschig. Die Nacht war jetzt am finstersten. In den Regen mischte sich schon Schnee. Ich kehrte zum Kikutahaus zurück, Dunkelheit und Kälte brachten mich zum Schweigen, als wären sie in mich gekrochen und hätten einen Schatten auf meiner Seele hinterlassen.
Furodas Söhne zahlten seine Schulden und Gosaburo war zufrieden mit mir. Ich ließ niemanden wissen, wie sehr mich der Mord verstört hatte, doch der nächste war noch schlimmer. Er geschah auf Befehl der Yoshidafamilie. Sie war entschlossen, die Unruhe unter den Dorfbewohnern vor dem Winter zu beenden und ersuchte darum, den Anführer unschädlich zu machen. Ich kannte den Mann, kannte seine geheimen Felder, obwohl ich sie noch keinem verraten hatte. Jetzt berichtete ich Gosaburo und Akio, wo er jeden Abend allein anzutreffen war, und sie schickten mich zu ihm.
Er hatte Reis und Süßkartoffeln in einer kleinen Höhle versteckt, die in eine Bergseite gegraben und mit Steinen und Gestrüpp bedeckt war. Er arbeitete auf der Böschung des Felds, als ich leise den Hang heraufkam. Ich hatte ihn falsch eingeschätzt: Er war stärker, als ich dachte, und er schlug mit seiner Hacke zurück. Während wir miteinander kämpften, rutschte meine Kapuze zurück und er sah mein Gesicht. In seinen Augen spiegelte sich das Erkennen, gemischt mit einer Art Entsetzen. In diesem Augenblick setzte ich mein zweites Ich ein, sprang hinter ihn und schnitt ihm die Kehle durch, doch ich hatte noch gehört, wie er meinem Ebenbild etwas zurief.
»Lord Shigeru!«
Ich war mit Blut bedeckt, mit seinem und meinem, und benommen von dem Schlag, dem ich nicht ganz hatte ausweichen können. Die Hacke hatte meine Kopfhaut gestreift und die Wunde blutete jetzt heftig. Die Worte meines Opfers verstörten mich zutiefst. Hatte er Shigerus Geist um Hilfe gerufen oder hatte er meine Ähnlichkeit gesehen und mich mit ihm verwechselt? Ich wollte ihn fragen, aber seine Augen starrten blind hinauf in den dämmrigen Himmel. Er war für immer sprachlos geworden.
Ich machte mich unsichtbar und blieb es, so lange wie nie zuvor, bis ich fast beim Kikutahaus war. Ich wäre für immer so geblieben, wenn es möglich gewesen wäre. Die letzten Worte des Mannes konnte ich nicht vergessen und dann fiel mir ein, was Shigeru vor so langer Zeit in Hagi
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