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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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bevor.«
    Vier Mal wirst du den Sieg davontragen, ein Mal musst du dich geschlagen geben.
    »Darauf bereiten wir uns jetzt vor. Sie haben die Männer in der Gerberei bemerkt, ihre Augen gesehen. Seit Ihren barmherzigen Taten im Schloss Yamagata, als Sie den Leiden der gefolterten Verborgenen ein Ende machten, sind Sie für diese Leute ein Held. Dann Ihr Dienst für Lord Shigeru in Inuyama… selbst ohne die Prophezeiung wären die Männer bereit gewesen, für Sie zu kämpfen. Jetzt wissen Sie, dass Gott mit Ihnen ist.«
    »Sie sitzt in einem Bergschrein und benutzt eine Gebetsmühle«, sagte ich. »Und doch hat sie uns gesegnet, wie es bei deinen Leuten üblich ist.«
    »Bei unseren Leuten«, korrigierte er mich.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich befolge diese Lehren nicht mehr. Ich habe viele Male getötet. Glaubst du wirklich, dass sie die Worte deines Gottes spricht?«
    Denn die Verborgenen lehren, dass der Geheime Gott der einzig wahre ist und dass die Geister, die alle anderen verehren, Wahnvorstellungen sind.
    »Ich weiß nicht, warum Gott mir sagt, ich soll ihr zuhören«, gab Jo-An zu. »Aber er sagt es, also höre ich zu.«
    Er ist wahnsinnig, dachte ich, durch Folter und Angst hat er den Verstand verloren. »Sie hat gesagt, alles ist eins. Aber das glaubst du doch sicher nicht?«
    Er flüsterte: »Ich glaube alle Lehren des Geheimen. Ich habe sie von Kindheit an befolgt. Ich weiß, dass sie wahr sind. Aber mir scheint, es gibt einen Ort jenseits der Lehren, einen Ort jenseits der Worte, wo das die Wahrheit sein könnte. Wo deutlich wird, dass alle Religionen den gleichen Ursprung haben. Mein Bruder war ein Priester, er hätte das Ketzerei genannt. Ich war noch nicht an diesem Ort, aber er ist dort, wo sie wohnt.«
    Ich schwieg und überlegte, wie seine Worte auf mich zutreffen mochten. Die drei Elemente, die meinen Charakter ausmachten, lagen zusammengerollt in mir wie drei Schlangen, von denen jede die anderen töten konnte, wenn sie angreifen durfte. Es war mir nicht möglich, ein Leben zu führen, ohne zwei Drittel von mir zu verleugnen. Mir blieb nichts als weiterzugehen, meine innere Spaltung zu überwinden und einen Weg zu finden, die Elemente zu vereinen.
    »Und Sie auch«, fügte Jo-An hinzu, der meine Gedanken las.
    »Das würde ich gern glauben«, sagte ich schließlich. »Aber während es für sie ein Ort tiefster Geistigkeit ist, bin ich praktischer. Mir erscheint es einfach sinnvoll.«
    »Dann sind Sie es, der Frieden bringen wird.«
    Diese Prophezeiung wollte ich nicht glauben. Sie war zugleich viel mehr und viel weniger als das, was ich mir für mein Leben wünschte. Aber die Worte der Alten waren mir tief in die Seele gesunken und ich konnte sie nicht vergessen.
    »Die Männer in der Gerberei, deine Männer, werden nicht kämpfen, oder?«
    »Einige schon«, sagte Jo-An.
    »Wissen sie wie?«
    »Sie können es lernen. Und es gibt vieles andere, was sie tun können, bauen, Lasten tragen, Sie über geheime Pfade führen.«
    »Wie diesen?«
    »Ja, die Köhler haben diesen hier gebahnt. Sie tarnen die Eingänge mit Steinhaufen. Sie haben ihre Wege über den ganzen Berg.«
    Bauern, Ausgestoßene, Köhler - keiner von ihnen durfte Waffen tragen oder an den Kriegen der Clans teilnehmen. Ich fragte mich, wie viele andere so sein mochten wie der Bauer, den ich in Matsue getötet hatte, oder wie Jo-An. Welche Verschwendung von Tapferkeit und Intelligenz, wenn man solche Männer nicht einsetzte! Wenn ich sie ausbilden und bewaffnen könnte, würde ich über alle Männer verfügen, die ich brauchte. Aber würden Krieger an ihrer Seite kämpfen? Oder würden sie mich auch für einen Ausgestoßenen halten?
    Ich war mit diesen Gedanken beschäftigt, da bemerkte ich Brandgeruch und hörte gleich darauf ferne Stimmen und andere Geräusche menschlicher Betriebsamkeit, den Schlag einer Axt, das Prasseln eines Feuers. Jo-An sah, wie ich den Kopf drehte.
    »Hören Sie sie schon?«
    Ich nickte, horchte und zählte, wie viele es waren. Vier, schätzte ich nach den Stimmen, vielleicht noch einer, der nichts sagte, aber einen unverwechselbaren Schritt hatte, und keine Hunde, was ungewöhnlich schien. »Du weißt, dass ich ein halber Kikuta vom Stamm bin. Ich habe viele ihrer Talente.«
    Wider Willen zuckte er leicht zusammen. Diese Talente kamen den Verborgenen wie Hexenkunst vor.
    Mein eigener Vater hatte alle seine Stammesfähigkeiten aufgegeben, als er zum Glauben der Verborgenen konvertierte: Er war gestorben, weil

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