Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake
wusste nicht viel über die Regeln der Kirche, aber sie nahm an, dass man mit Nachsicht rechnen konnte, wenn man Menschen in Notwehr, im Krieg oder ähnlichen Situationen tötete. Zumindest hoffte sie das.
An der nächsten Ecke holte sie den Zettel aus der Tasche. Sie faltete ihn auseinander und blinzelte, als das weiße Papier im Sonnenlicht leuchtete und sie noch einmal die Adresse überprüfte.
Nummer 838.
Sie blickte sich um. Riley war ausgestiegen.
Lane steckte den Zettel wieder ein. Mit dem Ärmel rieb sie sich den Schweiß aus dem Gesicht. Sie ging weiter. Der Sonnenschein lag wie eine heiße Decke auf ihrem Rücken. Sie wollte sich die Unterhose von den Hinterbacken zupfen, aber Riley würde ihr dabei zusehen.
Das Haus zu ihrer Rechten hatte die Nummer 836.
Daneben stand Kramers Haus. Ein kleines Ziegelgebäude mit Panoramafenster. Die Einfahrt war leer.
Keuchend, mit rasendem Herzen und Beinmuskeln, die sich anfühlten wie Pudding, ging sie die Einfahrt hinauf.
Keine Garage. Stattdessen ein Carport.
Der Kombi stand nicht in dem Carport.
Er war überhaupt nirgendwo zu sehen.
Er ist nicht zu Hause!
Nach all dem muss er einfach zu Hause sein, dachte sie.
Lane stieg die Treppe zur Tür hinauf. Sie drückte den Klingelknopf und hörte es drinnen leise läuten.
Sie wartete.
Sie wünschte, sie könnte ruhiger atmen.
Sie schob ihre Hand unter die Bluse und umklammerte mit schwitzigen Fingern den Griff des Revolvers ihres Vaters. Der Lauf bewegte sich und stieg gegen ihren Schenkel. Sie dachte daran, wie Kramers Mund dort unten gewesen war.
»Komm schon, du Dreckskerl«, murmelte sie.
Fünfzehn Minuten später hatten sie den Kombi auf dem belebten Parkplatz des Jachthafens entdeckt.
Das Gittertor, das während der Nacht geschlossen gewesen war, stand nun offen. Lane ging nicht hindurch. Sie stand dort, allein, und spähte zu Kramers verlassenem Wagen.
Dann ging sie zurück zu ihrem Auto. Sie öffnete die Tür, zog den Revolver weit genug aus dem Bund, damit sich der Lauf nicht in ihren Unterleib bohrte, und glitt auf den Fahrersitz.
»Er ist auf seinem Boot.«
»Scheiße.«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist es besser so.« Sie zog die Pistole ganz aus dem Rockbund und legte sie in ihre Jeanstasche.
»Scheiße, wieso sollte das besser sein?«
»Es wäre schwierig geworden, hier nicht erwischt zu werden. Viel zu viele Leute.«
»Ja, aber dafür hätten wir seine Leiche in den Fluss werfen können.«
»Stimmt.«
»Scheiße«, sagte Riley noch einmal.
»Wir können nichts dran ändern. Wir müssen uns was anderes ausdenken.«
»Zum Beispiel?«
Lane zuckte die Schultern und setzte den Wagen zurück. Sie fuhr zur Ausfahrt des Parkplatzes. »Er wird nochmal über mich herfallen wollen. Montag oder Dienstag, hat er gesagt. Wahrscheinlich will er sich irgendwo mit mir treffen. Irgendwo, wo wir ungestört sind. Vielleicht kann ich dir vorher Bescheid sagen. Dann kannst du dort auf uns warten.«
»Klingt gut.«
Lane fuhr auf den Shoreline Drive. »Willst du zum Einkaufszentrum?«
»Von mir aus.« Er warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Willst du hin?«
»Ja, glaube schon. Vielleicht kann ich mich da ein bisschen entspannen.«
»Hast du vergessen, mit wem du unterwegs bist?«
Sie blickte zu ihm hinüber. »Riley Benson. Du bist ein harter Bursche, aber leg dich lieber nicht mit mir an, klar?«
»Nein, mit dir nicht«, sagte er. Dann fügte er hinzu: »Lane.«
43
Tagsüber blieb Uriah in einem ausgetrockneten Flussbett ein Stück von der Straße entfernt.
Am Morgen hatte er versucht, Dörrfleisch zu essen, aber beim Kauen schossen höllische Schmerzen durch Kiefer und Wangen. Immerhin konnte er Wasser trinken, wenn es auch durch die Löcher in den Backen heraustropfte. Und er konnte schlafen.
Uriah träumte, dass die Vampire ihn schnappten. Er erkannte sie alle wieder. Es waren alles Dämonen, die er getötet hatte, aber nun waren sie wieder zum Leben erwacht. Im Licht der Wüstensonne fielen sie kreischend über ihn her. Sie warfen ihn zu Boden. Rissen ihm die Tierhäute vom Leib. Nahmen den Hammer und die Pfähle aus seinem Bündel. Sie hielten ihn fest und schlugen die hölzernen Pflöcke durch seine Hände und Füße. Nagelten ihn an den Boden. Kreuzigten ihn. Während er sich vor Schmerzen krümmte, riss einer der Vampire seine Augenklappe herunter. Uriah sah aus der Tiefe seiner Augenhöhle zu ihm auf und dachte: Wie seltsam! Er konnte mit beiden Augen sehen. Die Vampire knieten
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