Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake
tun würde, wenn er das nächste Mal mit ihr allein wäre.
Ich kann nicht hingehen, dachte Lane. Ich kann nicht dort vor ihm sitzen. Keine Stunde lang, keine einzige Sekunde lang. Ich würde verrückt werden.
Dann geh eben nicht.
Sofort fühlte sie sich besser.
Sie streckte sich aus und drehte sich auf den Bauch. Die Matratze drückte gegen die Blutergüsse an ihrem Körper, aber es tat nicht besonders weh.
Der Druck an ihren Brüsten erinnerte Lane daran, dass sie gestern ihre Bluse für Riley geöffnet hatte. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. In dem Moment, als sie es getan hatte, hatte sie sich nicht geschämt, aber jetzt konnte sie kaum glauben, dass sie sich wirklich vor ihm entblößt hatte. Direkt an der Straße im hellen Tageslicht. Es kam ihr vor, als wäre das jemand anders gewesen. Eine andere Lane.
Die gleiche andere Lane, die mit einer Pistole unter der Bluse zu Kramers Haustür gegangen war.
Ich muss wahnsinnig gewesen sein.
Was wäre, wenn Kramer zu Hause gewesen wäre? Wenn wir ihn schon getötet hätten?
Aber es ist ja nicht geschehen, sagte sie sich.
Langsam begannen ihre Brüste zu schmerzen, und sie drehte sich auf die Seite, schob die Decke weg und setzte sich auf die Bettkante. Statt ihrer üblichen Nachthemden hatte sie eines aus dickem Jerseystoff angezogen, nur für den Fall, dass ihre Eltern sie ohne Morgenmantel sehen würden. Die anderen Nachthemden waren alle tief ausgeschnitten oder durchsichtig oder beides und nicht geeignet, ihre Verletzungen zu verbergen. Das Jersey-Nachthemd hatte einen runden Ausschnitt und bedeckte alles. Wenn auch nicht in diesem Augenblick. Als sie über die Matratze gerutscht war, hatte sich das Nachthemd hochgeschoben und gab die Beine bis zum Hintern frei.
Lane warf einen Blick zur geschlossenen Tür, dann sah sie an sich herab. Ihre Schenkel waren voller blauer Flecken, doch einige Stellen, die rot und aufgescheuert gewesen waren, sahen nun wieder besser aus. Sie raffte den Stoff zusammen, drückte ihn gegen den Bauch und beugte sich vor. Ihre Schamlippen waren nicht mehr wund. Sie hob das Nachthemd über ihre Brüste. Auch dort sah es besser aus. Die Blutergüsse waren nicht mehr so dunkel. Sie waren von einem dunklen Violett zu Grüngelb verblasst.
Noch ein paar Tage, dachte Lane, und ich bin wieder so gut wie neu.
Äußerlich.
Vielleicht wird er mich beim nächsten Mal nicht verletzen.
Es gibt kein nächstes Mal!
Sie ließ das Nachthemd über ihre Hüfte fallen, erhob sich kurz, um es weiter nach unten zu ziehen, setzte sich wieder und strich den Stoff auf ihren Schenkeln glatt.
Es muss einen Ausweg geben, sagte sie sich.
Ja, bring ihn um.
Gestern hätte sie es tun können. Oder zumindest Benson dabei helfen können.
Aber jetzt erschien ihr die Vorstellung, Kramer zu töten, gewichtiger. Erdrückend. Sie hatte das Gefühl, dass die Tat wie eine schwarze Wolke für immer über ihrem Leben schweben würde.
Ich kann ihn nicht töten. Ich kann ihn nicht verraten. Ich kann nicht zulassen, dass er mich noch einmal drankriegt.
Ich könnte mich selbst töten.
Der Gedanke erschreckte Lane, eine unangenehme Hitzewelle überkam sie.
Wenn ich Selbstmord begehe, hat er keinen Grund, Mom und Dad etwas zu tun. Aber es würde sie zugrunde richten. Ich würde mit Sicherheit in der Hölle schmoren und …
Vergiss es.
Sie stand abrupt auf, ging zum Wandschrank und zog ihren Morgenmantel heraus.
Es muss einen Ausweg geben.
Ja, geh verflucht nochmal nicht zur Schule. Das ist ein Ausweg, zumindest für heute. Über morgen kannst du dir morgen Sorgen machen.
Vielleicht kümmert sich Riley auch ohne mich um ihn. Wenn ich mich nur lange genug zurückziehe. Wenn Kramer mir in der Zwischenzeit nicht einen Besuch abstattet.
Lane schlüpfte in ihre Hausschuhe. Auf dem Weg zur Küche ging sie kurz zur Toilette. Ihre Mutter, die gerade die Spülmaschine ausräumte, wandte sich zu ihr um. »Du hast dich ja gar nicht angezogen.«
»Ich fühle mich wirklich elend heute«, ächzte sie mit schwacher Stimme.
»Was ist los?«
»Alles Mögliche. Bauchkrämpfe, Kopfschmerzen, meine Tage.«
»Och, das tut mir leid, Süße.«
Sie zuckte mit den Schultern und runzelte die Stirn. »Ich werde es überleben. Aber ich glaube, ich gehe lieber nicht zur Schule.«
»Was ist mit Betty und Henry?«
Lane verzog das Gesicht. Sie hatte ihre Freunde ganz vergessen. Und George auch. Sie hatte George gestern angerufen, nachdem sie aus dem Einkaufszentrum
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