Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake
Vampir«, beharrte Jean.
»Wisst ihr was?«, sagte Pete und ignorierte Jeans Bemerkung. »Wir hätten den Pfahl rausziehen sollen. Versteht ihr? Nur um zu sehen, was passiert.«
»Es wäre gar nichts passiert«, sagte Jean.
»Wer weiß?« Pete warf Larry einen verschwörerischen Blick zu. »Hey, sollen wir umdrehen und zurückfahren, um es auszuprobieren?«
»Auf keinen Fall.«
»Bist du nicht neugierig?«
»So neugierig nun auch wieder nicht.«
»Wenn du auch nur versuchst, den Wagen zu wenden«, warnte Barbara ihren Mann eindringlich, »beiße ich dir in den Hals.«
»Schlappschwanz.«
»Treib’s nicht zu weit, Freundchen. Deine großartige Idee war Schuld daran, dass ich jetzt so zugerichtet bin.«
»Du hättest ja draußen bleiben können. Niemand hat dir eine Pistole auf die Brust gesetzt.«
»Halt einfach die Klappe, okay?«
Er sah mit leicht belustigtem Gesichtsausdruck zu Larry. »Ich glaube, ich bin lieber still, ehe sie noch wütend wird.«
»Würde ich an deiner Stelle auch machen.«
»Was ist nur aus der Redefreiheit geworden?« Obwohl er leise mit Larry sprach, waren die Worte an Barbara gerichtet.
»Deine Redefreiheit endet dort, wo meine Ohren anfangen«, sagte sie.
Pete grinste Larry an, aber er sagte nichts mehr. Schweigend fuhr er weiter.
Larry blickte hinaus in die Wüste. Er war noch ein wenig nervös und wirr im Kopf, aber er fühlte sich schon besser als vorhin. Die Diskussion hatte ihm geholfen. Es war gut, die Dinge in Worte zu fassen. Die Sorgen zu teilen. Besonders die lustige Art, mit der Pete das ganze beschissene Erlebnis in eine Vampirgeschichte verwandelt hatte. Und das Gezänk zwischen Pete und Barbara. Ihre netten, normalen, alltäglichen Streitereien. Das alles hatte ihm sehr gutgetan. Es hatte der Begegnung mit der Leiche den Schrecken genommen. So wie das Sonnenlicht die Alpträume verscheucht.
Aber als sie Mulehead Bend erreichten, begann er sich wieder Sorgen zu machen. Nicht einmal die vertrauten Anblicke entlang des Shoreline Drive konnten die anschwellende Furcht vertreiben.
Pete fuhr langsam durch den Verkehr – ein paar gewöhnliche PKW inmitten des üblichen Stroms aus Geländefahrzeugen, Wohnmobilen, Lieferwagen, Pick-ups und Motorrädern. Die Straße war gesäumt von Hotels, Tankstellen, Banken, Einkaufszentren, Restaurants, Bars und Imbissen. Larry erblickte die Bäckerei, in der er heute Morgen ein Dutzend Doughnuts gekauft hatte. Er sah den Supermarkt, in dem Jean Lebensmittel einkaufte, den Computerladen, wo er immer seine Disketten und Papier und Farbbänder für den Drucker kaufte, das Kino, in dem sie am Mittwochnachmittag in der Doppelvorstellung zwei Horrorfilme gesehen hatten.
Immer wieder konnte er einen Blick auf den Colorado werfen, der gleich östlich des Geschäftsviertels durch die Stadt floss. Ein paar Leute fuhren noch Wasserski. Er sah ein Hausboot. Eine Fähre brachte Besucher zu den Casinos in Nevada, das gleich auf der anderen Seite des Flusses lag.
Alles war so vertraut, so normal. Larry dachte, er müsste eigentlich erleichtert sein, das fremde und trostlose Hinterland verlassen zu haben und in heimatliche Gefilde zurückgekehrt zu sein.
Aber er war nicht erleichtert.
Ihm wurde klar, dass sie sich gleich von Pete und Barbara verabschieden würden. Er wollte sich nicht von ihnen trennen. Er hatte Angst . Wie ein Kind, das mit seinen Freunden Gespenstergeschichten gelauscht hatte und nun alleine in der Dunkelheit nach Hause gehen musste.
Ich bin kein Kind mehr, sagte er sich. Es ist nicht dunkel. Wir wohnen gleich nebenan. Und ich muss auch nicht alleine nach Hause gehen, Jean wird bei mir sein, und Lane ist wahrscheinlich auch wieder zurück.
»Wieso kommt ihr nicht noch kurz mit zu uns?«, schlug Barbara vor. »Wir trinken ein paar Cocktails und spülen den Staub aus unseren Kehlen.«
»Gute Idee!« Larry fragte sich, ob sie auch nicht wollte, dass die Gruppe auseinanderbrach.
»Ich mache meine berühmten Margaritas«, sagte Pete.
»Klingt gut«, sagte Jean.
Larry war erleichtert.
Pete ließ den Verkehr auf dem Shoreline Drive hinter sich und bog auf die kurvige Straße nach Palm Court. Als er nach Palm Court hineinfuhr, konnten sie ihre Häuser sehen.
Nun war es tatsächlich ein gutes Gefühl, nach Hause zu kommen. Jetzt, da sie mit Pete und Barbara Cocktails trinken würden.
Lane tauchte neben der Veranda auf. Sie trug eine abgeschnittene Jeans und ihr weißes Bikinioberteil und hielt einen Plastikeimer in der
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