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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jähe Hoffnungen nährte – der Goldzahn etwa, der Schuhabdruck –, aber dann war doch alles wieder im Sand verlaufen. Der Mörder, der nicht einmal besonders vorsichtig oder raffiniert vorging, hatte eben unverschämtes Glück, besonders in jener Hinsicht, daß sich seine Opfer strikt an seine Anweisung – oder Bitte – hielten, über ihn nicht zu plaudern.
    Heute abend nun machte Paul Leerdam eine neue Entdeckung. War es wieder eine, die sich in Rauch auflösen sollte?
    Die Hinterlassenschaft von Maria Steufels, der kleinen Modistin aus dem Ort Medemblick, enthielt einen Brief, den man zuerst nicht weiter beachtet hatte, dessen merkwürdiger Stil aber nun dem Kommissär auffiel.
    Der Text lautete:
    ›Liebe Maria!
    Die Tante, die morgen kommt, hat nur neun Tage Zeit, die Uhr abzuholen. Ich möchte an sie noch eine Brücke schicken vom Zahnarzt Stavoren.
    Gruß Henri.‹
    An sich war dieser Brief unverfänglich. Warum sollte Maria Steufels nicht eine Tante haben, die eine reparierte Uhr abholte? Und warum sollte ein Mann namens Henri ihr nicht auch noch eine Brücke, eine Zahnprothese, vom Zahnarzt Stavoren schicken?
    Oder handelte es sich um eine Tante von diesem Henri? Das ging aus dem Brieftext nicht klar hervor.
    Jedenfalls hatte man den Brief, der mit Schreibmaschine geschrieben war, zunächst der Mordakte einverleibt, ohne ihm, wie erwähnt, besondere Beachtung zu schenken. Nun aber biß sich Kommissär Leerdam an ihm fest.
    Lange betrachtete er den Bogen samt Umschlag.
    Der Poststempel war ›Leeuwarden‹.
    Aber in ganz Leeuwarden gab es keinen Zahnarzt Stavoren. Stavoren war der Name der Endstation der Eisenbahnfähre von Enkhuizen, jener Fähre, die in der Mordsache Steufels eine makabre Rolle gespielt hatte.
    Nach dieser Überlegung begann Leerdam, den Brief Wort für Wort zu zerlegen und wie in einem Puzzlespiel die einzelnen Worte zu mischen, sie auf ganz verschiedene Weisen aneinanderzureihen. Und siehe da, nach einer gewissen Zeit stieß er auf eine Lösung, die ihn alarmierte. Er hatte herausbekommen, daß jeweils die vierten Worte im Text, wenn man sie verband, einen neuen Sinn ergaben. Mit dem Bleistift unterstrich er die betreffenden Worte und las sie zusammenhängend. Das sah dann so aus:
    Die Tante, die morgen kommt, hat nur neun Tage Zeit, die Uhr abzuholen. Ich möchte an sie noch eine Brücke schicken vom Zahnarzt Stavoren.
    Durch die Zähne pfeifend, lehnte sich Leerdam zurück, zündete sich eine Zigarre an und rief dann seinen Assistenten an, der zu Hause saß und gerade die zweite Flasche Bier aus dem Kühlschrank holen wollte.
    »Wilm«, begann der Kommissär, »wissen Sie, was?«
    »Ja«, seufzte Schouwen, »ich soll zu ihnen kommen.«
    »Stimmt, das auch. Aber wissen Sie, warum?«
    »Nein, Chef.«
    »Ich habe einen Brief entdeckt.«
    »Einen Brief?«
    »Einen Brief vom Mörder.«
    »Waaas?« rief Schouwen.
    »Ja, stellen Sie sich das vor, und ich kann mir nicht denken, daß Sie das nicht aus der Ruhe bringt.«
    »Natürlich bringt mich das aus der Ruhe, Chef! Ich komme sofort!«
    »Eben, das wollte ich sagen, ich kann mir nicht denken, daß Sie unter solchen Umständen zu Hause sitzen bleiben, Ihre fünfte Flasche Bier trinken und auf Ihrem Achtstundentag bestehen wollen.«
    »Ich wollte gerade erst die zweite anbrechen.«
    »Wir können uns auch hier ein paar aus dem Automaten holen.«
    Vierzehn Minuten später stürzte Wilm Schouwen in Leerdams Zimmer mit der Frage: »Was ist das für ein Brief?«
    Der Chef zeigte ihn ihm, wobei er sagte: »Den hatten wir die ganze Zeit schon hier liegen. Ich darf gar nicht daran denken.«
    »Ein tolles Ding!« meinte Schouwen kopfschüttelnd.
    Er hielt den Bogen in der Hand, wendete ihn hin und her, betrachtete ihn von allen Seiten.
    Leerdam gab ihm in die zweite Hand auch den Umschlag.
    Plötzlich ließ Schouwen beides – Bogen und Umschlag – wie etwas Glühendheißes auf die Schreibtischplatte fallen.
    »Fingerabdrücke!« stieß er dabei hervor.
    Doch Leerdam winkte ab.
    »Erstens glaube ich, daß der Mörder dazu sowieso zu schlau war. Und zweitens haben den Brief inzwischen so viele in der Hand gehabt, daß wir diesbezüglich jede Hoffnung fahren lassen müssen.«
    Das sah auch Wilm Schouwen ein.
    »Konzentrieren wir uns auf den Text«, fuhr Leerdam fort. »Er bestätigt unsere Theorie, wie der Mord an Maria Steufels abgelaufen ist.«
    »Das denke ich auch, Chef.«
    Schouwen nahm den Umschlag wieder in die Hand und guckte nach dem

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