Der pfeifende Mörder
Eindruck der letzten komischen Situation in dem Film noch einmal lachen.
»Nur einen Fehler hat er«, meinte der Mann.
»Welchen?«
»Der Titel ist falsch. Nicht nur Vater braucht eine Frau … jeder Mann braucht eine.«
Antje Hellmond antwortete darauf nichts, aber sie errötete ein bißchen und steckte ihr Programm in die Manteltasche. Das war eine Gewohnheit von ihr. Sie sammelte diese Dinger, die für sie zu Erinnerungsstücken wurden.
Die beiden wurden inmitten des Stromes der anderen Besucher zum Ausgang gedrängt, und es war selbstverständlich, daß der nette Mann an der Seite Antjes blieb. Er bahnte ihr sogar einen Weg durch die draußen wartenden Interessenten der Spätvorstellung und schlug auf der Straße, sich schüttelnd, seinen Trenchcoatkragen hoch.
»Kühl ist das. An die Nächte bei uns hier mit ihrem Nebel kann ich mich einfach nicht gewöhnen. Darf ich vorschlagen, daß wir in dem Café dort drüben noch etwas Heißes trinken? Ich gestatte mir, Sie einzuladen. Dann können wir noch ein bißchen über den Film reden.«
Antje zögerte.
»Machen Sie mir die Freude … bitte«, sagte er mit einer weichen, sehr, sehr sympathischen Stimme.
Antje war immer noch nicht bereit.
»Ich werde zu Hause erwartet«, sagte sie. »Meine Mutter geht nicht eher ins Bett.«
»Nur auf eine Tasse Kaffee … oder Tee … was Sie wollen, mein Fräulein. Ich möchte Sie nicht so rasch aus den Augen verlieren. Sie beeindrucken mich außerordentlich.«
Antje spürte, wie sehr sie jetzt errötete, und ärgerte sich darüber. Was mag er von mir denken? sagte sie sich. Daß ich eine dumme Pute bin!
Sie entsann sich der Erzählungen ihrer Kolleginnen, die kichernd von ihren Erlebnissen berichteten. Sie erinnerte sich an die harmlosen kleinen Abenteuer, die sie selbst schon mit jungen Männern gehabt hatte. Im Grunde waren das gar keine Abenteuer gewesen. Gerade deshalb hätte sie aber gerne am Montag auch einmal erzählt: Mich hat ein gutaussehender Mann angesprochen, und wir sind ins Café gegangen und haben Tee getrunken.
Ich habe genau gemerkt, daß ihm Kaffee lieber gewesen wäre, aber nicht mir, und deshalb hat er mir zuliebe auch Tee getrunken. Ist das nicht toll? Ob ich ihn wiedersehe …? Ich weiß nicht, bin noch am Überlegen, obwohl er sehr, sehr nett war, bestimmt. Man muß sich nämlich rar machen.
Und man konnte sich ein wenig erfahren geben und die Frage offenlassen, ob man sich zum Abschied sogar geküßt hatte.
Antje Hellmond war ein für heutige Begriffe noch unglaublich naives und braves Mädchen, absolut unberührt. Und einen solchen Engel hatte der Tod schon auf der Schippe!
Die zärtliche Stimme des Mannes riß sie aus ihren Gedanken.
»Nur ein Viertelstündchen … bitte.«
»Ich sagte Ihnen doch, daß …«
»Haben Sie es weit nach Hause?« unterbrach er sie.
»Zwanzig Minuten.«
»Dann bestelle ich ein Taxi, und wir holen die Zeit, die Sie mir im Kaffeehaus schenken, rein.«
War er nicht reizend?
Antje nickte.
»Gut«, sagte sie entschlossen. »Aber nur auf eine Tasse. Meine Mutter«, fügte sie mit erhobenem Zeigefinger schelmisch hinzu, »braucht ihren Schlaf.«
Und das fand er so lustig, daß er sich schier ausschütten wollte vor Lachen.
Als er mit Antje das Café betrat, hielt er rasch Ausschau nach der Bedienung, mit der er es vor dem Besuch des Kinos zu tun gehabt hatte. Sie war nicht mehr zu sehen, hatte inzwischen wahrscheinlich schon frei. Das erleichterte ihn, da es ja wichtig für ihn war, niemandem aufzufallen.
Er steuerte einen Tisch im Hintergrund an und rückte Antje galant den Stuhl zurecht, auf den sie sich setzte. Ehe er selbst auch Platz nahm, verbeugte er sich leicht und stellte sich vor: »Gestatten Sie, Johan Neeskens.«
»Antje Hellmond«, sagte sie mit einem Neigen des Kopfes.
»Was darf ich Ihnen bestellen, Fräulein Hellmond … oder darf ich Antje sagen?«
Das ging ihr etwas zu rasch, denn sie war diesbezüglich ja keine von der schnellen Truppe, aber sie ließ es hingehen. Sie sagte zwar nicht ›Ja‹, doch sie widersprach auch nicht, und somit war der Fall für ihn klar.
»Danke, Antje. Also, was möchten Sie haben?«
»Tee, Herr Neeskens.«
»Johan … bitte.«
Antje gab sich einen Ruck.
»Also gut, Johan … Tee.«
»Nicht Kaffee?«
»Nein.«
Der Kellner kam. Ihm sah die Müdigkeit, obwohl er seinen Dienst erst vor zwei Stunden angetreten hatte, aus den Augen.
»Tee für die Dame«, bestellte Johan Neeskens.
»Und für Sie?«
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