Der pfeifende Mörder
sehe.«
»Möchtest du ihn gern sprechen?«
»Jede Tochter würde gerne manchmal mit ihrem Vater sprechen.«
»Du tust ja gerade so, als ob das bei euch beiden nie der Fall wäre.«
»Selten genug jedenfalls.«
»Das macht sein Dienst, das weißt du doch.«
Antje verstummte, trank ihren Kaffee und aß ihre zwei Brötchen, nur mit Marmelade bestrichen, nicht auch mit Butter. Dies war und ist vielen jungen Holländerinnen beschieden, die ihre Königin lieben, sich aber dennoch ständig warnend deren Figur vor Augen halten.
Es vergingen zwei Tage, bis sich Antjes Wunsch erfüllte, ihren Vater zu Hause wieder einmal zu Gesicht zu bekommen. Das Treffen fand in Antjes Zimmer statt, über dessen Schwelle Uwe Hellmond mit den Worten trat: »Da bin ich, Kleine. Mutter hat mir mitgeteilt, du hättest Sehnsucht nach mir.«
Die zwanzigjährige Antje war für ihn immer noch die ›Kleine‹.
»Setz dich, Vater«, sagte sie. »Ich möchte mit dir reden.«
»Über was?« fragte er, Platz nehmend.
»Wo ist Mutter?«
»In der Küche. Soll sie dabeisein?«
»Nein, im Gegenteil, sie würde nur erschrecken.«
»Erschrecken?«
»Ja … ich … ich habe einen Mann kennengelernt.«
»So.«
»Im Kino.«
Er hob mit gespielter Strenge den Zeigefinger. »Und deshalb bist du erst eine Stunde später nach Hause gekommen?«
»Hat Mutter das gesagt?«
Uwe Hellmond ließ den Finger sinken, lächelte.
»Ja«, sagte er. »Aber ich weiß, sie übertreibt.«
»Es war keine halbe Stunde.«
»Na eben, das ist doch alles kein Grund zur Aufregung. Weshalb sollte sie da heute noch erschrecken? Was hast du denn mit ihm gemacht? Oder er mit dir?«
»Vater!«
»Entschuldige«, sagte er ein bißchen rasch, »ich frage ja nur. Auch in einer halben Stunde kann schon allerhand passieren.«
»Vater, wir haben im Café eine Tasse Tee getrunken … das heißt, er eine Tasse Kaffee.«
»Brav, mein Kind, du weißt, wie sehr wir dir vertrauen, obwohl eines Tages …« Achselzuckend unterbrach er sich: »Du bist jetzt zwanzig Jahre alt, das rückt die Gefahr näher, daß du einmal auch die ganze Nacht wegbleiben wirst, darüber bin ich mir im klaren. Begeistert bin ich von dieser Aussicht allerdings nicht, das weißt du. Mutter erst recht nicht.«
»Vater«, seufzte Antje, »nicht darüber wollte ich mit dir reden, sondern über diesen Mann …«
»Hat das keinen Zusammenhang?«
Sie dachte ein bißchen nach und sagte dann: »Du meinst, ob sich das etwas Ernstes entwickeln könnte?«
»Nicht?« fragte er sie nur.
Und wieder dachte sie, vor sich hin blickend, nach.
»Er sieht sehr gut aus, Vater«, sagte sie schließlich, »ist sehr, sehr nett und hat sich tadellos benommen.«
»Seht ihr euch wieder?«
»Ja, er hat das vorgeschlagen.«
»Was macht er denn beruflich?«
»Das weiß ich nicht, wir haben nicht darüber gesprochen. Es scheint ihm aber sehr gut zu gehen, wenn du das meinst.«
»Natürlich meine ich das«, sagte Uwe Hellmond grinsend. »Man will doch seine Tochter entsprechend versorgt wissen.«
Antje fand das aber offenbar nicht recht lustig, denn sie antwortete fast ein bißchen ärgerlich: »Soweit ist das noch nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, daß ich ihn wiedertreffe.«
»Und warum nicht? Er hat dir doch gefallen?«
»Äußerlich schon«, sagte Antje zögernd. »Aber …«
»Was aber?«
»Er will zum Beispiel nicht, daß ich mit euch über ihn spreche.«
»So?«
»Kein Wort.«
»Und wie begründet er das?«
»Er hat da einen enormen Blödsinn von einem amerikanischen Professor und dessen Lehre erzählt.«
»Ist er denn dumm?«
»Nein, gewiß nicht, aber das glaubte er wohl von mir.«
»So?!« Die Empörung trieb Antjes Erzeuger die Röte ins Gesicht. »Wenn das so ist, gebe ich dir gleich den Rat, die Finger von ihm zu lassen. Zögere nicht lange, laß ihn sausen!«
»Meinst du, Vater?«
»Aber sicher! So einen hast du doch nicht nötig!«
Antje nickte nachdenklich, sagte aber nach einer kleinen Pause: »Ich hätte nur gerne gewußt, was er macht.«
»Beruflich?«
»Überhaupt.«
»Das kann dir doch egal sein.«
»Er sieht nach einer Tätigkeit mit Akten aus.«
»Wieso?«
»Er läuft mit einer schweren Aktentasche herum. Ich hatte sie in der Hand.«
»Eine ganz natürliche Sache. Akten sind schwer.«
»Er läßt die Tasche nicht aus den Augen.«
»Akten soll man nicht aus den Augen lassen, mein Kind. Aber was interessiert dich das? Laß den doch herumrennen, mit was er will.«
»Und wenn
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