Der Pfeil der Rache
schäbige, ebenerdige Lehmhütten, in denen Mensch und Vieh gemeinsam hausten. Einige jedoch waren größer, hatten ein Obergeschoss, auch ein paar schmuckreiche Fachwerkbauten waren darunter. Alte Leute und Kinder arbeiteten in den Gemüsegärten davor. Wieder fingen wir uns kühle Blicke ein, und drei Kinder vor einem der Häuser nahmen sogar Reißaus vor uns.
Wir hatten den Dorfplatz erreicht. Die Tür eines großen Gebäudes stand offen, und wir sahen einen Schmied bei der Esse stehen und ein Stück Eisen auf dem Amboss zurechthämmern. Die Kohlen im Feuer glühten in sattem Rot, schimmerten in einem Hitzeschleier. Ich dachte an den jungen Tom Llewellyn.
»Das Begrüßungskomitee«, sagte Barak leise.
Drei Männer kamen mit feindseligen Mienen die Straße entlang auf uns zu, allesamt jung und kräftig gebaut. Zwei von ihnen trugen grobe Kittel, der dritte jedoch ein ledernes Wams und eine Hose aus gutem Zwillich. Er war in den Dreißigern, hatte ein hartes, kantiges Gesicht, braunes Haar und kühne blaue Augen. Er blieb ein paar Schritt vor uns stehen.
»Was habt Ihr hier zu suchen, Fremdlinge?«, fragte er in seinem schnarrenden Dialekt.
»Wir sind Gäste des Gutsherrn«, antwortete ich nachsichtig, »und vertreten uns ein wenig die Beine.«
»Hört Euch das an, Master Ettis«, sagte ein anderer. »Ich hab’s Euch gesagt.«
Ettis trat vor. »Komm uns nicht zu nah, Bursche«, warnte ihn Barak und legte die Hand an den Dolch.
»Seid Ihr die Anwälte?«, fragte Ettis ohne Umschweife.
»Ich bin Anwalt«, antwortete ich. »Master Shardlake.«
»Da hört Ihr’s«, sagte der andere. »Er ist hergekommen, um uns das Gemeindeland fortzunehmen. Ein verfluchter Buckliger noch dazu, das bringt erst recht Unglück.«
Ettis starrte mich an. »Nun? Seid Ihr deshalb hier? Dass Ihr’s wisst: Wir aus Hoyland fürchten keine Anwälte. Wenn Ihr versucht, uns um unser Land zu betrügen, dann gehen wir vor den Court of Requests. Wir haben Freunde in anderen Dörfern, die ihre Rechte durchgesetzt haben. Und wenn Master Hobbeys Holzfäller noch einmal auf unser Gemeindeland kommen, dann kriegen sie Verdruss.«
»Das geht mich nichts an. Ich bin vom Court of Wards beauftragt, mich nach dem Wohlergehen von Master Curteys zu erkundigen.«
»Er meint den Pockennarbigen«, sagte Ettis’ Spießgeselle.
Ettis behielt uns weiter im Auge. »Angeblich sind
zwei
Anwälte im Herrenhaus zu Gast.«
»Master Hobbeys Rechtsanwalt ist auch hier. In derselben Angelegenheit.« Ich hielt inne und sah ihn vielsagend an. »Das soll nicht heißen, dass er nicht noch andere Geschäfte hier hat, aber davon weiß ich nichts.«
Ettis nickte bedächtig. »Euer Interesse gilt nur Master Curteys?«
»Ja. Kennt Ihr ihn?«
Er schüttelte den Kopf. »Er kommt nicht hierher. Master David kommt zuweilen; sein kindisches Gehabe brächte meine alte Kuh zum Lachen.«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass einige Leute aus dem Dorf sich als Bedienstete im Herrenhaus verdingen?«
»Einige. Die meisten hüten sich davor.«
»Die Bediensteten reden nicht mit uns«, sagte ich. »Schade. Informationen auszutauschen kann sehr nützlich sein. Der Name von Master Hobbeys Anwalt lautet übrigens Vincent Dyrick.«
»Leonard Ettis. Freibauer.«
»Seid versichert, dass wir Euch nichts Böses wollen. Wir gehen jetzt zurück. Aber vielleicht kommen wir wieder und unterhalten uns ein wenig?«
»Vielleicht«, antwortete Ettis unverbindlich.
Wir kehrten um und nahmen denselben Weg, den wir gekommen waren. Barak blickte über die Schulter zurück. »Sie beobachten uns noch immer.«
»Sie haben Angst und sind wütend. Die meisten Dörfer können nicht überleben ohne ihr Gemeindeland, auf dem sie das Vieh weiden lassen und Holz schlagen.« Ich lächelte. »Doch hier gibt es einen Wortführer, und er kennt den Court of Requests. Hobbey und Dyrick werden es mit ihm aufnehmen müssen.«
»Ihr hättet sagen sollen, dass Ihr dort arbeitet. Das hätte sie auf Eure Seite gebracht.«
»Ich will Hobbey und Dyrick nicht unnötig gegen mich aufbringen. Noch nicht. Gehen wir zurück, Hugh wird bald kommen.«
kapitel neunzehn
W ir begaben uns zum Herrenhaus zurück, wo soeben die beiden Knaben von der Jagd heimgekehrt waren. Zwei Knechte führten ihre Pferde in den Stall. Hugh und David standen vor dem Haus und zeigten Feaveryear ihre Vögel. Ein jeder hielt einen der großen Windhunde an der Leine; als Barak und ich uns näherten, nahmen diese Witterung auf. Davids Hund
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