Der Pfeil der Rache
wie sicher, dass die Franzosen dort angreifen. Sie haben ihre Spione und wir die unseren.
Ich habe eine Nachricht erhalten von dem Manne, den ich Erkundigungen zu Nicholas Hobbey einziehen ließ. Er versicherte mich seiner Diskretion. Offenbar musste Hobbey in der Tat vor sieben Jahren herbe Verluste hinnehmen, aufgrund schlechter Investitionen im europäischen Handel; damals hatte er gerade das Kloster mit dem zugehörigen Waldland in Hampshire gekauft. Er verschuldete sich bei Geldverleihern in London. Ich vermute deshalb, dass er die Vormundschaft für die Kinder in der Hoffnung erwarb, er könne vermittels einer Heirat sein Land mit dem ihrigen verbinden und einstweilen, um die Gläubiger zu bezahlen, unrechtmäßigen Gewinn zu ziehen aus ihrem Wald. Sir Quintin Priddis ist berüchtigt für seine Bestechlichkeit, mehr noch als die meisten Lehnsrichter, und hat ihnen gewiss beim Fälschen der Bücher geholfen.
Neulich erreichte mich eine merkwürdige Nachricht aus dem Court of Wards: Der ältere Urkundsbeamte, Gervase Mylling, wurde im Aktensaal tot aufgefunden, welcher ein feuchtes Kellerloch voller übler Säfte sein soll. Er hatte sich am Dienstagabend versehentlich dort eingesperrt und wurde am Mittwochmorgen, am Tag nach Eurer Abreise, tot aufgefunden. Offenbar war er ein wenig schwach auf der Brust gewesen und von den fauligen Dämpfen überwältigt worden. Ich hatte an jenem Tag im Auftrag Ihrer Majestät bei Gericht zu tun, wo der Vorfall in aller Munde war. Dabei soll er ein umsichtiger Mensch gewesen sein. Aber Gott allein weiß, wann uns die Stunde schlägt.
Ihre Majestät sendet Euch Grüße. Sie hofft, Ihr macht Fortschritte bei Euren Erkundigungen, und hält es für das Beste, dass Ihr Euch so bald wie möglich wieder auf den Heimweg macht.
Euer Freund,
Robert Warner
Ich legte den Brief in meinen Schoß und sah Barak an. »Mylling ist tot. War in der Moderkammer eingesperrt. Erstickt.« Ich reichte ihm den Brief. Er las ihn.
»Hobbey war demnach verschuldet«, sagte er.
»Ja. Und Mylling – er wäre niemals in die Moderkammer gegangen, ohne den Stein in die Tür zu legen, der verhinderte, dass sie ins Schloss fiel. Er fürchtete den Ort, bekam dort keine Luft.«
»Wollt Ihr damit sagen, jemand habe ihn dort absichtlich eingesperrt? Jeder wusste doch, dass er schwach auf der Brust war.«
»Ich glaube einfach nicht, dass er mit jener Tür so leichtsinnig verfahren wäre.«
»Ihr wollt doch nicht etwa andeuten, dass Priddis oder Hobbey einen Mörder auf ihn ansetzte? Warum sollten sie auch, Ihr habt die Dokumente doch bereits gesehen.«
»Vielleicht wusste Mylling noch mehr. Und erinnerst du dich an Michael Calfhill? Er ist der zweite, der mit diesem Fall zu tun hatte und plötzlich verstarb.«
»Ihr wart Euch doch sicher, dass Michael sich selbst gerichtet hat.« Barak hob unwirsch die Stimme. »Herrgott, vielleicht hat Hobbey den jungen Hugh mit dem Holz betrogen, das kann aber nicht mehr einbringen als etwa hundert Pfund im Jahr. Dafür lässt man doch niemanden töten und riskiert den Strick –«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach uns. Barak stieß sie auf. Draußen stand ein junger Mann, einer der Hausdiener. »Sir«, sagte er. »Master Hobbey und Mistress Abigail nehmen mit Master Dyrick vor dem Nachtmahl noch ein Glas Wein zu sich. Sie lassen fragen, ob Ihr ihnen nicht Gesellschaft leisten wollt?«
* * *
Ich begab mich auf mein Zimmer, wo ich mir über der Schüssel Wasser, die Fulstowe mir hatte bringen lassen, Gesicht und Hals wusch. Dann kleidete ich mich um und trat hinaus in den Garten. Stühle waren neben dem Eingang aufgestellt worden, und Hobbey, Abigail und Dyrick hatten es sich bereits gemütlich gemacht, einen dicken Krug Wein auf einem Tisch zwischen ihnen. Fulstowe hatte eben einen Teller mit Naschwerk serviert. Hobbey erhob sich lächelnd.
»Da seid Ihr ja, Master Shardlake«, sagte er, ausgesucht höflich. »Ihr habt einen langen Ritt hinter Euch. Kommt, genießt ein Glas Wein und den Frieden dieses schönen Nachmittags. Ihr ebenso, Fulstowe, setzt Euch zu uns.«
Fulstowe verneigte sich. »Ich danke Euch, Sir. Wein, Master Shardlake?« Er reichte mir einen Becher, und wir setzten uns beide. Abigail maß mich mit einem ihrer scharfen, feindseligen Blicke und wandte sich dann ab. Dyrick nickte kühl.
Hobbey ließ den Blick nachdenklich über seinen Besitz schweifen. Die Schatten im Garten wurden länger. Lamkin lag dösend unter seinem Baum. In einer Eiche in
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